Maria kommt mit Sambaschritten
Brasilien ‐ Erstmals darf eine Sambaschule mit Genehmigung der katholischen Kirche ein religiöses Thema im brasilianischen Karneval präsentieren. Doch die Darstellung der historischen Marienerscheinung stößt auch auf Kritik.
Aktualisiert: 13.02.2017
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Erstmals darf eine Sambaschule mit Genehmigung der katholischen Kirche ein religiöses Thema im brasilianischen Karneval präsentieren. Doch die Darstellung der historischen Marienerscheinung stößt auch auf Kritik.
Es soll im Oktober 1717 gewesen sein, als drei Fischer in dem kleinen Ort Guaratinguetá im Südosten Brasiliens ihre Netze in den Paraíba-Fluss warfen. Zuvor hatten sie die Muttergottes um einen reichen Fang gebeten, doch die Netze blieben leer. Dann geschah das Wunder: In dem Netz verfing sich eine Marienfigur ohne Kopf – selbigen zogen sie wenig später ebenfalls aus dem Wasser. Von diesem Zeitpunkt an quollen ihre Netze vor lauter Fischen über.
300 Jahre später erzählt die Karnevalsschule Vila Maria aus Sao Paulo zu treibendem Samba-Beat die Geschichte jenes Fischfangs, der in die brasilianische Geschichte einging. Die Marienfigur ist heute Brasiliens Schutzpatronin; neben der Fundstelle am Paraiba-Fluss ragt die gigantische Basilika von Aparecida gen Himmel. Jedes Jahr pilgern rund acht Millionen Menschen hierher.
Die Sambaschule hätte sich also kaum ein besseres Thema für den diesjährigen Karneval aussuchen können. Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass im katholisch geprägten Brasilien religiöse Themen im Karneval auftauchen. Die Sambaschule Beija-Flor aus Rio de Janeiro hatte es im Jahr 1989 versucht. Doch ihre Christusfigur musste auf Geheiß der Kirche komplett verhüllt werden. In einer Mischung aus Protest und Propaganda-Gag beklebte Beija-Flor die Statue daraufhin mit Schildern auf denen groß „Zensur“ stand.
Seitdem versuchten mehrere Sambaschulen vergeblich, christliche Symbole im Karneval zu verwenden. Nun macht die Kirche zum ersten Mal eine Ausnahme. „Dieses Thema wurde bereits 2014 mit der Kirche vereinbart“, so Vila Marias „Carnevalesco“ Sidnei Franca, der das Spektakel in allen Einzelheiten entworfen hat. „Es hat eine tiefe Verbindung mit dem Volk, denn wir erzählen die Geschichte der geliebten Heiligen, die den Glauben von Millionen Brasilianern beflügelt.“
Allerdings machte die Kirche drei Auflagen: Weder darf es bei der Aufführung politische Statements geben noch darf die Marienfigur in Verbindung mit anderen Religionen gebracht werden. Und drittens muss die Sambaschule auf die sonst üblichen knappen Bikinis und freizügigen Kostüme verzichten. Die ungewöhnliche Kleiderordnung hätten die Mitglieder der traditionell katholischen Sambaschule einstimmig angenommen, sagt „Carnevalesco“ Franca.
Nicht allen gefällt jedoch die Idee eines religiösen Karnevals. Die Gruppe „Devotos de Fatima“ (Verehrer von Fatima) sammelte rund 7.000 Unterschriften gegen den „beleidigenden und blasphemischen Akt“. Ausgerechnet zum 100. Jahrestag der Marienerscheinung im portugiesischen Fatima (1917) werde Gott durch das würdelose Spektakel beleidigt - schließlich stehe der Karneval für die Sünden des Fleisches, hieß es.
Auch Kardinal Odilo Scherer schaltet sich ein
Sao Paulos Erzbischof Kardinal Odilo Scherer sieht jedoch weder das Ansehen Marias gefährdet noch den katholischen Glauben missachtet. Trotzdem griff er die Kritik indirekt auf. „Der Ort, also das Sambodromo, soll etwa nicht geeignet sein, um der reinen Jungfrau Maria zu huldigen? Ist es nicht eher so, dass sie genau dort präsent sein will, dort, wo ihre Präsenz doch am dringendsten vonnöten ist?“ Auch Jesus sei schließlich auf die Sünder zugegangen, so Scherer in einem offenen Brief.
Die Erzdiözese beobachtete die Vorbereitungen der Karnevalsschule von Anfang bis Ende minutiös. Die Vila Maria habe dabei bereitwillig alle Auflagen erfüllt, attestierte die Kirche. So stehe der Aufführung am Karnevalsfreitag nichts mehr im Wege. Rund 4.000 Verkleidete sollen an dem bunten Spektakel mitwirken, das live im ganzen Land übertragen wird.
Mit dabei sein wird auch Erika Canela, eine der „Musen“ der Sambaschule und zudem Brasiliens „Miss Bumbum 2016“, also die Frau mit dem ansehnlichsten Hintern des Landes. Dass sie diesen nun bedecken muss, stört die Tänzerin, die einer evangelikalen Kirche angehört, nicht weiter: „Ich habe schließlich ein Lächeln, das sogar noch besser ist.“
Von Thomas Milz
© KNA