Adveniat: Humanitäre Katastrophe an Venezuelas Grenzen
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Adveniat: Humanitäre Katastrophe an Venezuelas Grenzen

Venezuela ‐ Mehr als 50.000 Venezolaner fliehen derzeit täglich über die Grenze nach Kolumbien. Hauptgründe sind die schlechte Versorgungslage im Land und die anstehenden Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung. Die Bilder erinnern an den europäischen Flüchtlingssommer.

Erstellt: 27.07.2017
Aktualisiert: 27.07.2017
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Mehr als 50.000 Venezolaner fliehen derzeit täglich über die Grenze nach Kolumbien. Das berichtet das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Hauptgründe seien die schlechte Versorgungslage im Land und die anstehenden Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung, erklärt Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz. Die Menschen rechneten mit Unruhen und Grenzschließungen.

Der Bischof der kolumbianischen Diözese Cucutá an der Grenze zu Venezuela, Victor Manuel Ochoa, spricht von einer humanitären Katastrophe: „Die Lage ist sehr schwierig. Die Menschen reisen zum Teil aus der 15 Wegstunden entfernten venezolanischen Hauptstadt Caracas an, um sich hier mit Medikamenten zu versorgen, weil es in Venezuela nichts mehr gibt.“ Das Bistum habe in der Pfarrei San Pedro in Cucutá eine Notanlaufstelle eingerichtet, in der täglich 1.500 Mahlzeiten ausgegeben würden. „Die Menschen kommen mit Bündeln venezolanischen Geldes, das hier nichts wert ist“, so Bischof Victor Manuel. Seine Diözese habe bereits Hilfslieferungen mit Medikamenten in die Nachbardiözese San Cristobal nach Venezuela gebracht. „Viele der Flüchtlinge ziehen weiter“, so der Bischof: „Wer Geld für ein Flugticket hat, stellt sich in den Schlangen vor den Reisebüros an.“

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Szenen erinnern an europäischen Flüchtlingssommer

„Die Kolumbianer helfen den Flüchtlingen nach Kräften“, betont Monika Lauer Perez, Kolumbien-Referentin bei Adveniat. Im Bistum Cucutá an der Grenze zu Venezuela, wo täglich mehrere Tausend Flüchtlinge ankämen, verteile die Kirche Lebensmittel und Medikamente. „Die Bilder aus Cucutá erinnern an Szenen aus dem europäischen Flüchtlingssommer 2015. Zu Tausenden stehen die Venezolaner an den Grenzen und hoffen, das Land verlassen zu können.“

Die Krise in Venezuela und die dramatische Situation der Flüchtlinge dürfe jetzt nicht zu einer Beeinträchtigung des Friedensprozesses in Kolumbien führen, fordert Lauer Perez. „Es gibt Politiker aus dem rechten Spektrum, die nur darauf warten, der Regierung eine Unterstützung der chavistischen Diktatur in Venezuela vorwerfen zu können.“ Zudem sei die Grenzregion als Rückzugsgebiet der ELN, aber auch durch den Drogenhandel und den illegalen Abbau von Bodenschätzen besonders destabilisiert. „Die Notsituation der Flüchtlinge darf nicht politisch instrumentalisiert werden.“ Die kolumbianische Polizei und Armee seien angesichts der Menschenströme an den Grenzen zwar in erhöhter Bereitschaft, es gebe jedoch die klare Aussage von Regierungsseite, dass es keine massiven Abschiebungen aus dem Land geben werde.

In Venezuela gefährde die Regierung durch ihren harten Kurs gegen die Opposition und die Misswirtschaft das Leben und die Gesundheit der Menschen, betont Adveniat-Hauptgeschäftsführer Michael Heinz. Es müsse endlich möglich sein, humanitäre Hilfe, vor allem Medikamente, nach Venezuela zu bringen.

Die politische Krise verschärft sich kurz vor der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung weiter. Der Generalstreik, der am Mittwoch fortgesetzt wurde, lähmt das Land zusätzlich. Bei Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften kamen bereits zwei Menschen ums Leben.

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