Der einfache schwere Schritt zum Frieden
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Der einfache schwere Schritt zum Frieden

Kolumbien/Vatikan ‐ Der Frieden muss erst noch Boden gewinnen nach den Jahrzehnten der Gewalt in Kolumbien. Ermutigend, aber ohne die Aufgaben herunterzuspielen - so hat sich Papst Franziskus am Sonntag von den Kolumbianern verabschiedet.

Erstellt: 11.09.2017
Aktualisiert: 11.09.2017
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Der Frieden muss erst noch Boden gewinnen nach den Jahrzehnten der Gewalt in Kolumbien. Ermutigend, aber ohne die Aufgaben herunterzuspielen - so hat sich Papst Franziskus am Sonntag von den Kolumbianern verabschiedet.

Am Sonntagmorgen, beim Aufbruch in Bogota, eine Programmänderung: Kurzfristig wurde entschieden, dass Franziskus für den Weg zum Flughafen statt eines geschlossenen Wagens das offene Papamobil benutzt. Wieder säumten Zehntausende die 15 Kilometer lange Strecke, wie schon bei der Ankunft am Mittwoch. Wenn, wie manche sagen, der Papst die konservative Mitte verloren habe, wird diese Leerstelle ziemlich gut ausgefüllt. Franziskus ist ein Volkspapst.

Die Botschaft von Versöhnung und das Motto der Reise „Tun wir den ersten Schritt“ – sie kommen bei jenen an, die in Massen die Veranstaltungen mit Franziskus füllten, in Bogota, Villavicencio und Medellin. Auch in Cartagena trifft der Papst seine Hörer, wenn er von „furchtbaren Verletzungen“ spricht, die er in diesen Tagen sah; Menschen mit „nicht wieder gutzumachenden Verlusten“.

Was muss es für solche Personen bedeuten, wenn der Papst von ihnen verlangt, sich um die Täter zu sorgen. Sache des Opfers sei es, „die Initiative zu ergreifen, dass der, der ihm Böses getan hat, nicht verloren gehe“. Kein Aufruf, sondern eine Feststellung. Franziskus formuliert sie betont zu Beginn seiner Schlusspredigt. Für viele eine harte, jedes menschliche Maß übersteigende Forderung.

Aber der Papst will zum Abschied klarmachen, dass der Friede in Kolumbien auf vielen Schultern ruhen muss, wenn er Bestand haben soll. Versöhnung auf der Ebene von Verträgen, ohne das Volk und am Volk vorbei, bleibt aus seiner Sicht unzureichend. „Wir brauchen keinen Plan einiger weniger für einige wenige“, sagt er, auch keinen Plan einer „stellvertretenden Minderheit“ für alle. Er will den Frieden zur Basisbewegung machen.

Gewiss braucht Versöhnung institutionelle Voraussetzungen – Gerechtigkeit, Aufarbeitung, Wiedergutmachung. Den christlichen Beitrag sieht Franziskus aber in einem Wandel „von unten her“, über Begegnungen im Alltag. Abermals bemüht der Papst den Nationalschriftsteller Gabriel Garcia Marquez als Gewährsmann: „Jetzt ist es Zeit zu begreifen, dass man dieses kulturelle Unglück nicht mit Blei und nicht mit Geld beheben kann, sondern mit einer Erziehung zum Frieden.“

Garcia Marquez schrieb diese Worte in seiner Enttäuschung über gerade gescheiterte Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla 1998. Nun ist der Friedensvertrag unterzeichnet, wenngleich unter großen Widerständen in der Bevölkerung wie auch unter den Bischöfen. Und Franziskus fordert noch einmal mit den Worten des Literaturnobelpreisträgers und leidenschaftlichen Kolumbianers eine „Revolution des Friedens“.

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Der Papst weiß um die Saboteure dieses Projekts, er nennt sie beim Namen: jene, die aus Drogen Profit ziehen, die Umwelt zerstören, Arbeiter ausbeuten, eine Wirtschaft, die „Millionen von Menschen der Armut aussetzt“. Er verurteilt auch einen Pazifismus, der vor Prinzipienreiterei fühllos wird gegenüber dem Leid vieler Menschen.

Zugleich verlangt er, die Kirche müsse „unbeirrt“ eine Gerechtigkeit suchen, die der Nächstenliebe nichts wegnimmt. In den Tagen zuvor forderte er eine gesellschaftliche Integration jener Täter, die in Wort und Tat bereit sind zur Umkehr. Das ist eine der schwierigsten Hürden im Friedensprozess.

„Wir können nicht in Frieden zusammenleben, ohne mit dem zu tun zu bekommen, was das Leben korrumpiert und attackiert“, sagt Franziskus. Da ist sie wieder, die Mahnung an die Kirche, sich die Hände schmutzig zu machen. Am stärksten wiegt aber die Aufforderung zur Vergebung: „für die Rettung jener zu beten, die geirrt haben, und nicht für ihre Vernichtung“.

Staatspräsident Juan Manuel Santos hatte es bei der Begrüßung des Papstes am Donnerstag in einer für Politiker ungewöhnlichen Offenheit gesagt: „Wir müssen fähig werden, zu vergeben und um Vergebung zu bitten.“ Dass auch der Papst um Vergebung bittet dafür, dass sich die Kirche, ungeachtet ihrer Opfer und Martyrien, jahrzehntelang einspannen ließ für eine Politik der Reichen und Mächtigen – das hätten sich vor allem in den Basisgemeinden viele gewünscht.

Nur im Ansatz, in eine Frage verpackt, bekennt Franziskus in Cartagena Versäumnisse: „Wieviel haben wir unterlassen, als wir zuließen, dass die Barbarei im Leben unseres Volkes Gestalt annahm?“ Es gab Heilige wie den Jesuitenmissionar Pedro Claver, den Patron der Menschenrechte, der im 17. Jahrhundert in Cartagena für die Würde von Schwarzen und Sklaven eintrat; aber unter Tausenden von Christen war es, so der Papst, nur „eine Handvoll Menschen“, die sich der herrschenden Kultur entgegenstellte.

Franziskus verlässt Kolumbien mit einem fast banalen Schlussgedanken: „Den ersten Schritt tun“, das heiße, ohne Vorleistung auf den anderen zuzugehen; ohne Anspruch, selbst Verzeihung zu finden, geliebt zu werden. Einfach ein erster Schritt. Aber das Einfachste ist das Schwerste.

Von Burkhard Jürgens (KNA)

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