Abkommen des Vatikan mit China hat einen ungewissen Preis

Abkommen des Vatikan mit China hat einen ungewissen Preis

China/Vatikan ‐ Eine historische Einigung soll für einvernehmliche Bischofsernennungen im kommunistischen China sorgen und diplomatische Beziehungen anbahnen. Details des Deals sind unbekannt. Lokale Christen fürchten Schlimmes.

Erstellt: 24.09.2018
Aktualisiert: 24.09.2018
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Eine historische Einigung soll für einvernehmliche Bischofsernennungen im kommunistischen China sorgen und diplomatische Beziehungen anbahnen. Details des Deals sind unbekannt. Lokale Christen fürchten Schlimmes.

Die Überraschung kam, als Papst Franziskus im Präsidentenpalast zu Vilnius gerade über Verhaftungen und Deportationen früherer Regime gesprochen hatte. Da gaben der Vatikan und China den Abschluss eines „vorläufigen Abkommens“ zur Ernennung von Bischöfen bekannt. Es soll einen seit 1957 währenden Streit beenden, der die schätzungsweise 13 Millionen Katholiken in China immer stärker in eine Spaltung trieb.

Die Folgen sind weitreichend. In China besteht eine staatlich anerkannte „Patriotische Vereinigung“ von Katholiken neben einer Untergrundkirche, die um der Treue zu Rom willen die Illegalität in Kauf nimmt. Etwa 40 Bischofssitze in China sind vakant; würden sie ohne Rücksprache mit Rom besetzt, würde dies die Einheit der Kirche auf lange Zeit behindern.

Das am Samstag in Peking unterzeichnete Abkommen soll das Ernennungsverfahren dahingehend ordnen, dass die Bischöfe künftig „in Gemeinschaft mit Rom stehen, aber zugleich von der chinesischen Regierung anerkannt sind“, so Vatikansprecher Greg Burke. Zudem erwarten sich der Heilige Stuhl und China, deren diplomatische Beziehungen seit 1951 unterbrochen sind, neue Bedingungen „für eine weitere Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene“.

Unklar ist derzeit aber neben den Auswirkungen etwa auf das Verhältnis des Vatikan zu Taiwan oder den USA, welchen Preis die Annäherung kostet – und was überhaupt in dem Dokument steht.

Sein Wortlaut ist bislang geheim. Zwar wurde die Einigung nach monatelangen Verhandlungen für Ende September erwartet, aber am Ende erwischte sie die meisten Vatikanjournalisten kalt während der Baltikumreise des Papstes.

Der Handstreich war nach Maßstäben der vatikanischen Öffentlichkeitsarbeit ungewöhnlich gut vorbereitet. Zur eigentlichen Mitteilung reichte der Vatikan effektvoll gestaffelt eine Erklärung des Presseamtsleiters und ein Statement von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nach, letzteres sogar mit einem Video, das offenkundig vor der Abreise aufgezeichnet worden war.

Bei dem Timing mochten verschiedene Aspekte eine Rolle gespielt haben. Eine Erklärung lautet, dass der Vatikan Rücksicht auf die chinesischen Partner nehmen musste, die das Thema zeitig vor dem Nationalfeiertag am 1. Oktober vom Tisch haben wollten. Das wäre ein Zeichen mehr, dass letztlich Peking den Takt angibt, und würde die zweite Annahme stützen: dass es der Kirchenleitung nicht ganz unrecht war, am Wochenende unterwegs zu sein und so Anfragen zu entgehen.

Teile der katholischen Kirche in China betrachten die Annäherung mit Skepsis, ja Bitterkeit. Kardinal Zen Ze-kiun aus Hongkong sprach in einem Interview von einem „unglaublichen Verrat“, forderte gar Kardinalstaatssekretär Parolin zum Rücktritt wegen „Verrats des katholischen Glaubens“ auf. Der Chefdiplomat des Papstes liefere seine Schutzbefohlenen „den Wölfen zum Fraß“ aus, so Zen.

Parolin betonte, erstmals seit Jahrzehnten stünden alle katholischen Bischöfe in China in Gemeinschaft mit dem Papst. Zeitgleich mit dem Abkommen legalisierte Franziskus den Status von sieben aktiven Bischöfen, die ohne päpstliche Zustimmung geweiht worden waren, unter ihnen drei exkommunizierte. Ebenfalls am Samstag errichtete der Papst das Bistum Chengde, in dem einer der Bischöfe, Joseph Guo Jincai, seit 2010 mit Pekings Gnaden waltet.

Um die Rehabilitierung zu ermöglichen, bat der Vatikan laut Medienberichten schon im Januar zwei Untergrundbischöfe, ihren Platz zu räumen. Was mit den übrigen rund 30 Hirten geschieht, die keine Billigung Pekings besitzen, ist offen.

Manche Gläubige und Bischöfe der Untergrundkirche werden bei dem Abkommen fragen, ob es die Jahrzehnte der Angst und Diskriminierung, nicht selten auch Haft und Gewalt wert war – oder ob das Bündnis zwischen Vatikan und Peking sie womöglich neuen Repressalien aussetzt. Ihre Leiden kommen in den offiziellen Erklärungen nicht vor; das scheint der bittere Preis, den der Papst seinen getreuesten Gläubigen zumutet.

Franziskus sagte in Vilnius, jede Generation müsse den Geist bewahren, der ihr in der Vergangenheit geholfen habe, „Situationen von Schmerz und Ungerechtigkeit in eine Chance zu verwandeln“. Ein Satz, wie gesprochen für China.