Kirchen kritisieren deutsche Rüstungsexportpolitik
Rüstung ‐ Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Rüstungsexportpolitik klafft nach Ansicht der beiden großen Kirchen „eine gewaltige Lücke“.
Aktualisiert: 16.12.2022
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Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Rüstungsexportpolitik klafft nach Ansicht der beiden großen Kirchen „eine gewaltige Lücke“. Während sich die Bundesregierung gemäß ihrer im vergangenen Jahr verabschiedeten Politischen Grundsätze zu einer verantwortungsbewussten Rüstungsexportpolitik insbesondere an Drittstaaten außerhalb von Nato und EU bekenne, sehe die Praxis anders aus, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).
Lieferungen an Drittstaaten sind deshalb besonders umstritten, weil dadurch immer wieder Waffen aus Deutschland in Krisen- und Konfliktregionen oder Staaten mit einer problematischen Menschenrechtslage gelangen. Laut GKKE-Bericht stieg die Summe der erteilten Einzelgenehmigungen für Exporte in diese Ländergruppe von 2,55 Milliarden Euro 2018 um nahezu eine Milliarde auf 3,53 Milliarden Euro. Auf der Liste der besonders problematischen Empfängerstaaten stehen unter anderem Algerien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Zwischen 2014 und 2019 genehmigte die Bundesregierung laut GKKE Rüstungsexporte im Wert von über 37 Milliarden Euro. Davon entfielen 20,6 Milliarden Euro auf Drittstaaten. Ausfuhrgenehmigungen bezeichnen nicht die tatsächlichen Exporte von Rüstungsgütern, sondern beziehen sich auf Waffengeschäfte in der Zukunft. Sie gelten gleichwohl als Gradmesser für den grundsätzlichen Kurs in der Rüstungspolitik. Bei den tatsächlich ausgeführten Kriegswaffen – dazu gehören zum Beispiel Panzer, Kampfflugzeuge oder Kriegsschiffe – lag der Drittlandsanteil in den Jahren von 2014 bis 2019 teilweise bei über 90 Prozent.
„Die jetzige Politik ist durch einen beunruhigenden Mangel an Kohärenz und Verlässlichkeit geprägt“, kommentierte der katholische GKKE-Vorsitzende Karl Jüsten die Zahlen. „Obwohl die Bundesregierung immer das Gegenteil beteuert, werden Staaten, in denen staatliche Organe systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen, mit deutschen Rüstungsgütern beliefert“, sagte Simone Wisotzki vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, die den Vorsitz der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte innehat.
Ruf nach mehr Transparenz
Zudem verlangen die beiden großen Kirchen mehr Transparenz in der europäischen Rüstungspolitik. So könnten Zahlen der EU zu Rüstungsexporten ihrer Mitgliedsstaaten nur unter Vorbehalt betrachtet und bewertet werden, hält der GKKE-Rüstungsexportbericht fest. „Zu unterschiedlich sind die jeweiligen Standards der nationalen Berichte.“
Bei Rüstungskooperationen tun sich nach Ansicht der Autoren immer wieder Schlupflöcher für Exporte in Drittstaaten außerhalb von EU und Nato auf. Kritisch bewertet der Bericht auch die Unterstützung für den Aufbau von Polizei und Sicherheitskräften etwa in Ländern Nordafrikas mithilfe der sogenannten Europäischen Friedensfazilität (EPF). Das milliardenschwere Finanzierungsinstrument der EU ermöglicht unter anderem den Transfer von Rüstungsgütern in die betreffenden Staaten.
„Bei Genehmigungen von Klein- und Leichtwaffen ist nicht nur das Risiko des widerrechtlichen Einsatzes groß, sondern auch die Gefahr ihrer unkontrollierten Verbreitung“, warnte vor diesem Hintergrund der evangelische GKKE-Vorsitzende Martin Dutzmann. „Die Entscheidungen über Ausstattungshilfen aus der Friedensfazilität müssen daher unbedingt transparent getroffen werden und einer breiten politischen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen.“
Der Rüstungsexportbericht der Kirchen wird erstellt in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) sowie mithilfe von weiteren Vertretern aus Wissenschaft und Hilfswerken.
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© Text: KNA