Menschenrechtler begrüßen Urteil im Koblenzer Folter-Prozess
Justiz ‐ Im weltweit ersten Prozess gegen frühere Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen Folter hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine erste Entscheidung getroffen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten Eyad A. am Mittwoch wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft.
Aktualisiert: 27.07.2022
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Im weltweit ersten Prozess gegen frühere Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen Folter hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine erste Entscheidung getroffen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten Eyad A. am Mittwoch wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft. Der Syrer wurde schuldig gesprochen, an Folter und schwerwiegender Freiheitsberaubung beteiligt gewesen zu sein.
Das Verfahren gegen den zweiten Angeklagten Anwar R. wird bis mindestens Oktober fortgesetzt. Er soll in leitender Position 2011 und 2012 für die systematische Misshandlung von Menschen verantwortlich gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Folter in 4.000 Fällen, Mord in 58 Fällen sowie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung vor. Der Prozess begann im April 2020.
Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), das einige Nebenkläger im Verfahren unterstützt, begrüßte das Urteil. Rechtsanwalt Patrick Kroker betonte, im Prozess sei das „Ausmaß und die Systematik von ‚Verschwindenlassen', Folter und sexualisierter Gewalt in Syrien“ belegt worden. Auch bestätige das Urteil gegen den Mitangeklagten, dass es sich bei den Taten der syrischen Regierung und ihrer Mitarbeiter um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handele. ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck erklärte: „Das Urteil motiviert hoffentlich andere europäische Untersuchungsbehörden, ähnliche Verfahren einzuleiten.“
Nach Einschätzung von Amnesty International Deutschland hat das Urteil eine wichtige Signalfunktion. Zum ersten Mal habe ein Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt, dass ein ehemaliger Funktionär der Assad-Regierung schwerste Verbrechen begangen habe. „Die Tatsachen zu den unmenschlichen Haftbedingungen, Folter und Tötungen in Syrien, die das Gericht festgestellt hat, sind nicht zu leugnen“, so Generalsekretär Markus N. Beeko. Das Verfahren gegen Eyad A. könne aber nur ein Anfang sein, weitere müssten folgen.
Grundlage für das Koblenzer Verfahren ist das Weltrechtsprinzip. Demnach können Verbrechen in Deutschland geahndet werden, auch wenn weder die Tat hierzulande geschehen ist, noch die Angeklagten oder die Opfer aus Deutschland kommen. Menschen, die Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen haben, sollen in Deutschland nicht ungestraft leben können. Die beiden Angeklagten waren im Zuge des syrischen Bürgerkriegs vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen.
© Text: KNA