Philippinen verstärken Gewalt gegen Regimekritiker

Philippinen verstärken Gewalt gegen Regimekritiker

Südostasien ‐ Mit Hilfe eines „Antiterrorgesetzes“ werden auf den Philippinen Regierungskritiker unterdrückt. Ziel von Schikanen bis hin zu Morden sind Oppositionelle, Medienschaffende, Kommunalpolitiker, Gewerkschafter und Priester.

Erstellt: 13.03.2021
Aktualisiert: 19.10.2022
Lesedauer: 

Allein die Bilanz der ersten neun März-Tage auf den Philippinen ist blutig. Am 3. März wurde der Rechtsanwalt Angelo Karlo Guillen niedergestochen. Polizisten erschossen am 7. März in Calabarzon auf Luzon bei vier simultanen Razzien neun Aktivisten und eine Gewerkschafterin. Ebenso waren es Kugeln aus Polizeiwaffen, die am 9. März Ronald Aquino töteten, Bürgermeister von Calbayog auf der Insel Samar. Alle Opfer waren zuvor bereits als „Kommunisten“ gebrandmarkt worden.

„Red Tagging“ heißt auf den Philippinen diese Methode, mit der Präsident Rodrigo Duterte gegen seine Gegner und Kritiker vorgeht. Wenige Tage vor dem Massaker vom 7. März hatte Duterte einmal mehr Polizei und Militär aufgefordert, „alle Kommunisten zu töten“ und „sich dabei nicht von den Menschenrechten beirren zu lassen“.

Seit Dutertes Amtsantritt im Sommer 2016 wurden bereits Hunderte unliebsame Personen umgebracht. Auch drei katholische Priester, engagierte Streiter für die Menschenrechte, kamen bei Attentaten ums Leben. Die Täter und ihre Auftraggeber bleiben in der Regel unbekannt und kommen straflos davon.

Das im Juli 2020 in Kraft getretene kontroverse „Antiterrorgesetz“ bildet die rechtliche Grundlage zunehmender Gewalt von Polizei, Armee und Auftragskillern gegen Regimekritiker. „Wegen der weiten Auslegungsmöglichkeiten, der Definitionshoheit durch die Regierung und der fehlenden Beschwerdemöglichkeiten ist dieses Gesetz ein potentes Mittel gegen legitime Regierungskritik“, sagte Wolfgang Heinze, Vertreter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Manila, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Wer „Terrorist“ oder „Kommunist“ ist, bestimmt allein das aus Vertretern des Kabinetts bestehende neue Antiterrorkomitee. Das Komitee veröffentlicht die Namen der betroffenen Personen und Institutionen, zerrt sie wegen allerlei Klagen vor Gericht. Auf den Philippinen wird diese Vorgehensweise inzwischen „Lawfare“ genannt: Krieg mit juristischen Waffen. „Wie andere autoritäre Staaten sind die Philippinen an der Wahrung eines rechtsstaatlichen Scheins sehr interessiert“, sagt Heinze.

Ein Betroffener aus dem kirchlichen Umfeld ist der Priester Flavie Villanueva. Der meinungsstarke Kritiker von Dutertes Drogenkrieg steht wegen Aufrufs zum „Aufruhr“ vor Gericht. Die drei großen katholischen Universitäten in Manila sind in den Augen von General Antonio Parlade vom Antiterrorkomitee „Rekrutierungshochburgen der Kommunisten“. Katholische Würdenträger wie Kardinal Jose Advincula, die der Regierung vorwerfen, ein Klima der Angst zu schaffen, machen sich sehr unbeliebt. In Advinculas Erzbistum Capiz wurden Ende Dezember Umweltaktivisten der Ureinwohner von der Polizei erschossen.

Gefahr von Angriffen ausgesetzt

Es gibt viele Philippiner, die sich nicht vom Klima der Angst einschüchtern lassen. Darunter jene Akademiker, Bischöfe, Journalistinnen, Verleger und Aktivisten, die beim Obersten Gericht insgesamt 37 Petitionen gegen das Antiterrorgesetz eingereicht haben. Das erfordert Mut, auch von ihren Anwälten. „Ich werde in den Sozialen Medien nur von Trolls belästigt“, sagt Maria Sol Taule, die den Jugendverband „Sangguniang Kabataan“ anwaltlich vertritt, der KNA. „Aber Red Tagging an sich ist schon eine Drohung, weil man dadurch der Gefahr von Angriffen ausgesetzt ist.“ Taule hatte 2018 die australische Ordensfrau Pat Fox vertreten, die nach fast 30 Jahren als Missionarin wegen angeblicher Unterstützung kommunistischer Umtriebe von den Philippinen ausgewiesen wurde.

Ein Ende der gewaltsamen Verfolgung Andersdenkender ist nicht in Sicht. Das Land rüstet sich für den Wahlkampf, und Gewalt ist ein Markenzeichen philippinischer Wahlkämpfe. Am 9. Mai 2022 wird ein neuer Präsident gewählt. Die Verfassung verbietet Duterte eine zweite Amtszeit. Das grämt den 75-Jährigen vermutlich. Im Januar lag Dutertes Zustimmungsrate trotz Menschenrechtsverletzungen, Missmanagements in der Corona-Krise und Niedergangs der Wirtschaft bei sagenhaften 91 Prozent.

Von Michael Lenz (KNA)

© Text: KNA