Kritik an Nicaraguas Präsident Ortega wegen Verhaftungswelle

Kritik an Nicaraguas Präsident Ortega wegen Verhaftungswelle

Zentralamerika ‐ Präsident Daniel Ortega hat die jüngste Verhaftungswelle gegen seine möglichen Herausforderer bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen sowie weitere Oppositionelle mit einem angeblichen Putschversuch gerechtfertigt. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat bezeichnet das Vorgehen Ortegas als „absolut inakzeptabel“.

Erstellt: 26.06.2021
Aktualisiert: 27.07.2022
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Präsident Daniel Ortega hat die jüngste Verhaftungswelle gegen seine möglichen Herausforderer bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen sowie weitere Oppositionelle mit einem angeblichen Putschversuch gerechtfertigt. Die Verhafteten seien keine Politiker, sondern Kriminelle, die die Sicherheit des Landes bedrohten, indem sie einen Staatsstreich vorbereiteten. Damit seien sie „Agenten des Yankee-Imperiums“, die gegen Nicaragua konspirierten, um die Regierung zu stürzen, sagte der sandinistische Politiker in einer Fernsehansprache. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat bezeichnet das Vorgehen Ortegas als „absolut inakzeptabel“.

Ortega sagte zudem, es solle niemand mit der Behauptung kommen, die Verhafteten seien Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen im November. Es gebe derzeit gar keine Kandidaten, weil die Zeit für die Einschreibung noch gar nicht gekommen sei.

Adveniat-Projektleiter Thomas Wieland forderte jedoch: „Die Regierung in Managua muss die Menschenrechte achten, die Repression gegen die Opposition, Nichtregierungsorganisationen und kritische Medien sofort einstellen und freie, faire Wahlen im November garantieren.“ Ortega schrecke sogar nicht davor zurück, ehemalige Weggefährten aus der Zeit der sandinistischen Revolution im Rentenalter zu verhaften. Die Regierung haben „den demokratischen und moralischen Kompass komplett verloren“.

Adveniat: Auch Mitarbeitende der Kirche im Visier

Zuvor hatte die Interamerikanische Menschenrechtsorganisation (CIDH) bereits die jüngste Verhaftungswelle scharf kritisiert und die Regierung aufgefordert, alle willkürlich in Haft befindlichen Personen freizulassen. Insgesamt wurden fünf Kandidatinnen und Kandidaten verhaftet, die öffentlich ihre Bereitschaft bekundet hatten, bei den Wahlen für das Amt zu kandidieren.

Inzwischen mehren sich laut Adveniat die Anzeichen, dass auch Mitarbeitende der Kirche ins Visier des Ortega-Regimes geraten könnten. Vor mehr als zwei Jahren hatte Papst Franziskus bereits den Weihbischof von Managua, Silvio Baez, nach Morddrohungen aus Nicaragua abgezogen. „Wir stellen uns hinter die jüngste Forderung der Nicaraguanischen Bischofskonferenz, die ein demokratisches System für das Land fordert“, so Wieland.

Tote bei Protesten gegen die Ortega-Regierung

Zuletzt sorgte ein neues Gesetz für scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft: Es verbietet sogenannten Verrätern, für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Wer genau dabei ein Verräter ist oder was einen Verrat ausmacht, bleibt im Ungefähren. Genau dieser Ermessensspielraum aber mache es einer regierungsnahen Justiz möglich, aussichtsreiche Bewerber aus Reihen der Opposition kurzfristig aus dem Verkehr zu ziehen, kritisierten Nichtregierungsorganisationen. Der Amerika-Direktor von Human Rights Watch, Jose Miguel Vivanco, erklärte: „Mit diesem Gesetz gibt es wenig bis gar keine Hoffnung auf freie und faire Wahlen in Nicaragua.“

Nicaragua erlebt seit April 2018 eine Krise mit landesweiten Protesten gegen die Regierung von Präsident Ortega. Seit Beginn kamen rund 350 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt.

© KNA