Sorge nach Putsch in Guinea
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Sorge nach Putsch in Guinea

Conakry ‐ Die internationale Gemeinschaft hat den Putsch im westafrikanischen Guinea scharf verurteilt. Dagegen zeigen sich politische Beobachter wenig überrascht über die Entwicklung und verweisen auf ein Übermaß an Macht.

Erstellt: 07.09.2021
Aktualisiert: 12.09.2022
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Die internationale Gemeinschaft hat den Putsch im westafrikanischen Guinea scharf verurteilt. Dagegen zeigen sich politische Beobachter wenig überrascht über die Entwicklung und verweisen auf ein Übermaß an Macht.

Nachdem Präsident Alpha Conde (83) am Sonntag von einer Spezialeinheit der Armee verhaftet wurde, äußerte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS „große Besorgnis“. Sie forderte das Militär auf, Conde unverzüglich und unversehrt freizulassen. Auch die Afrikanische Union (AU) verurteilte den Staatsstreich.

Die USA appellierten am Montagmorgen an alle Konfliktparteien, auf Gewalt zu verzichten und einen transparenten Prozess des nationalen Dialogs einzuleiten. Gewalt und außerverfassungsmäßige Maßnahmen würden Guineas Aussichten auf Frieden, Stabilität und Wohlstand nur untergraben, hieß es.

Der gestürzte Conde stand in den vergangenen Jahren zunehmend in der Kritik. Bei seiner ersten Wahl 2010 galt der Sozialist als Hoffnungsträger, der die jahrzehntelange Militärdiktatur beendet hatte. Im vergangenen Jahr setzte er eine Verfassungsänderung durch, die ihm ein drittes Mandat ermöglichte. Schon Monate vor dem Referendum war es zu Protesten der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition gekommen. Auch rund um die Wahl im Oktober 2020 waren erneut Dutzende Menschen gestorben.

Der Politologe Ibrahima Kane von der „Open Society Foundation“ zeigte sich wenig überrascht über den Putschversuch. „Wir wissen alle, dass sich Guinea seit mehr als zwei Jahren sozusagen im Auge des Sturms befand“, sagte Kane der Deutschen Welle. Es habe „unendliche Krisen“ gegeben im Zusammenhang mit den Wahlen von 2020 sowie mit dem Referendum für eine neue Verfassung, die dem Präsidenten die Kandidatur für eine bis dahin nicht erlaubte dritte Amtszeit ermöglichte. „Es war klar, dass eines Tages jemand versuchen würde, Ordnung in die Sache zu bringen.“ Zudem spiegele Guineas Armee seit langem die chaotische Situation im Land wider.

Als Erklärung dafür, dass ein ehemaliger Oppositioneller wie Conde an seinem Amt klebe, verwies der Analyst auf eine „Bulimie der Macht“. Kane wörtlich: „Wenn man in unseren Ländern an die Macht kommt, wird einem der Eindruck vermittelt, ein König zu sein, jemand zu sein, der alles tun kann, alles entscheiden kann, der das Zentrum der Welt ist.“ Conde sei „auf dieses Spiel hereingefallen“, so der Politologe. „Er hat sich mit Leuten umgeben, die ihm weismachten, er sei Alpha und Omega des politischen Lebens in Guinea. Ohne ihn laufe nichts.“ Doch mit 83 Jahren könne Conde „nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte“ sein, „um ein so kompliziertes Land wie Guinea zu führen“, sagte der Wissenschaftler.

Der guineische Analyst Kabine Fofana warnte vor Machtkämpfen innerhalb der Armee. So habe die Putschisten-Einheit zunächst mit der traditionellen Präsidentengarde kämpfen müssen, sagte er der Deutschen Welle. „Es gibt also keine Einstimmigkeit über diesen Staatsstreich“, so der Experte. „Es wird auf ein Kräftemessen hinauslaufen, denn bei einer solchen Machtübernahme gewinnt meist der, der am stärksten ist“, erklärte Fofana.

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