Führt Präsidentin Xiomara Castro Honduras aus der Krise?

Führt Präsidentin Xiomara Castro Honduras aus der Krise?

Tegucigalpa ‐ Die Herausforderungen sind riesig, die Hoffnungen auch: Xiomara Castro soll Honduras aus der Krise führen. Ende Januar tritt die designierte Präsidentin ihr Amt an.

Erstellt: 30.01.2022
Aktualisiert: 13.02.2023
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Wenige Tage vor ihrem Amtsantritt wird Xiomara Castro schon in den unberechenbaren Strudel der honduranischen Innenpolitik gerissen: Gleich zwei Abgeordnete beanspruchen die Führung des Parlaments, im Plenarsaal kam es vergangenen Freitag zu Tumulten. Eine institutionelle Krise, die sogar die Vereinten Nationen besorgt. Die Honduranische Bischofskonferenz fordert zum ehrlichen Dialog auf, um den Rechtsstaat nicht zu gefährden.

An diesem Donnerstag tritt Xiomara Castro ihr Amt als neue Staatspräsidentin in Honduras an – begleitet von den Hoffnungen ihrer Landsleute und der internationalen Staatengemeinschaft. Zuletzt wurde die strahlende Wahlsiegerin auf Schritt und Schritt begleitet, das Land fieberte ihrem Amtsantritt entgehen. Die am 30. September 1959 in der Hauptstadt Tegucigalpa geborene Linkspolitikerin holte bei den Wahlen im Dezember mehr als 1,7 Millionen Stimmen – ein neuer Rekord. Zugleich ist Castro die erste Frau, die in Honduras an der Spitze des Staates steht.

Mit Castros Wahl endeten zugleich zwei dunkle Kapitel in der jüngeren Geschichte: Der Staatsstreich gegen ihren Ehemann Manuel Zelaya im Jahr 2009 und der umstrittene Wahlausgang 2017, bei dem der rechtskonservative Präsident Juan Orlando Hernandez im Amt bestätigte wurde. An der Rechtmäßigkeit gab es erhebliche Zweifel, inzwischen hält die US-Justiz Orlando Hernandez für einen Drogenhändler. 2017 unterlag der Linkskandidat Salvador Nasralla, er soll nun Vizepräsident unter Castro werden. „Wir streben eine direkte partizipative Demokratie an“, sagte Castro und versprach eine Regierung der Versöhnung.

Die Heilung alter Wunden ist eine Sache, die Lösung der aktuellen Probleme eine ganz andere: Honduras ist eines der ärmsten Länder der Region und zugleich ein Migrations-Hotspot. Gewalt, politische und wirtschaftliche Korruption verhindern, dass sich das Land weiter entwickeln kann. Zudem sorgten zuletzt verheerende Wirbelstürme für die Zerstörung von Ernten und Infrastruktur.

Vor allem das Durchgangsland Mexiko und das Zielland USA haben ein Interesse daran, dass Castro das Land stabilisiert und die Bevölkerung wieder eine Perspektive für sich erkennt. Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador kündigte ein baldiges Treffen mit Castro an. Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris dürfte daran interessiert sein, bald konstruktive Gespräche aufzunehmen. Sie ist in der Biden-Administration für die Migrationspolitik zuständig und braucht dringend Verbündete. Mit einem großen Team kommt sie zur Amtseinführung nach Tegucigalpa.

Die Kirche in Honduras hatte der designierten Präsidentin Castro schnell zu ihrem Wahlerfolg gratuliert. Das klare Wahlergebnis sei Ausdruck, dass sich die Mehrheit der Wähler für ein Projekt ausgesprochen habe. Der honduranische Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga erklärte, er hoffe, dass mit „dem Lichte Christi nun eine neue Zeit, etwas Besseres, eine neue Etappe in unserer Geschichte beginnt“. Auch für ihn schließt sich der Kreis. Er hatte den Staatsstreich 2009 nicht kategorisch verurteilt, was ihm ihn linken Kreisen den Vorwurf einbrachte, er sei ein „Putsch-Kardinal“.

Vielleicht finden Castro und der Kardinal trotzdem zueinander. Wenige Wochen nach ihrem Wahlsieg besuchte die künftige Präsidentin mit ihrem Mann die Gemeinde Dulce Nombre de Culmi, um an den dortigen Patronats-Feierlichkeiten teilzunehmen und – wie die Tageszeitung „El Heraldo“ kommentierte – „ihre Leidenschaft für die katholische Religion zu bekennen“.

In einem Punkt dürften Kirche und neue Präsidentin ohnehin übereinstimmen. Beide lehnen die umstrittenen Sonderwirtschaftszonen (ZEDE) ab. „Wir unterstützen die Schaffung der ZEDE nicht“, hieß es vor den Wahlen in einer Stellungnahme der Honduranischen Bischofskonferenz. Aus Würde, Gerechtigkeit und aus patriotischer Liebe wollten die Bischöfe nicht zu Zuschauern von Enteignung und irreversibler Zersetzung des Landes werden, hieß es weiter. Kritiker sehen in den Sonderwirtschaftszonen vor allem Steuersparmodelle und rechtsfreie Räume für Superreiche.

Von Tobias Käufer (KNA)

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