EU-Afrika-Gipfel mit Fortschritten bei Impfstoffverteilung
Brüssel ‐ Zum Abschluss des EU-Afrika-Gipfels hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine stärkere Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten angekündigt. Es gebe „eine ganze Latte von Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen müssen“, sagte er nach dem zweitägigen Treffen am Freitag in Brüssel.
Aktualisiert: 13.09.2022
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Es gehe um Partnerschaft in Bereichen wie Klimaschutz, globale Gesundheit, multilaterale regelbasierte Ordnung, Frieden und Sicherheit oder Migration.
Europa habe den Staaten der Afrikanischen Union ein „aufrichtiges Kooperationsangebot“ unterbreitet und insgesamt 20 Milliarden Euro pro Jahr zugesagt, so Scholz. Damit wolle man Anreize für zusätzliche private Investitionen schaffen. Die Bundesregierung beteilige sich mit „substanziellen Initiativen“ und habe sich bei der Pandemiebekämpfung als zuverlässiger Partner erwiesen. So sei die Bundesrepublik mit aktuell 2,2 Milliarden Euro der zweitgrößte Geber für die WHO-Dachkampagne zur globalen Impfstoff-Verteilung (ACT Accelerator).
Besonders warb der Bundeskanzler für die Kooperation bei der Herstellung von Corona-Vakzinen. „Ich bin zuversichtlich, dass die lokale Impfstoffproduktion ‚Made in Africa' noch in diesem Jahr deutlich Fahrt aufnehmen wird, auch dank unserer maßgeblichen Unterstützung“, sagte Scholz. Die Mainzer Firma Biontech habe in Zusammenarbeit mit mehreren Ländern gezeigt, wie dies konkret gehe.
Deutschland verschanze sich nicht hinter Patenten, betonte Scholz. Es gelte „sicherzustellen, dass wir den großen Fortschritt, der zum Beispiel mit der Entwicklung der mRNA-Technologie verbunden ist, jetzt nicht verspielen“. Ohne Schutz der Rechte an geistigem Eigentum ließen sich diese Fortschritte nicht realisieren. Es gehe darum, „dass wir die Produktionsmöglichkeiten vor Ort schaffen“. Nach seiner Einschätzung sei es möglich, sich in Gesprächen in der Welthandelsorganisation WTO auch „in der Sache“ zu verständigen.
Unterdessen wurden am Rande des Gipfels in Brüssel sechs afrikanische Länder als erste Empfänger eines mRNA-Technologietransfers bekanntgegeben. Die WHO nannte Ägypten, Kenia, Nigeria, Senegal, Südafrika und Tunesien als neue Produktionsstätten. „Die Covid-19-Pandemie hat wie kein anderes Ereignis gezeigt, dass es einschränkend und gefährlich ist, für die Lieferung von öffentlichem Gut auf einige Unternehmen angewiesen zu sein“, sagte WHO-Generalsekretär Tedros Ghebreyesus.
Derzeit stellt Afrika nur etwa ein Prozent aller Vakzine her, die auf dem Kontinent verimpft werden. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa betonte nun: „Es ist inakzeptabel, dass sich Afrika fortdauernd hintanstellen muss, um Zugang zu Impfungen zu erhalten.“ Während man reicheren Ländern für Impfstoff-Spenden dankbar sei, brauche es eine „nachhaltige“ Lösung, um Afrikas Resilienz aufzubauen.
Ärzte ohne Grenzen (MSF) wertete den neuen Schritt als „Meilenstein“ auf dem Weg, die Vakzinproduktion in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen anzukurbeln. Dennoch übte Kate Stegeman, Afrika-Expertin von MSF, Kritik an der Vorgehensweise von Pharmakonzernen. Der schnellste Weg zu einer Impfstoffproduktion im globalen Süden führe über „volle und transparente Weitergabe“ von bereits vorhandenem Wissen.
Die Hilfsorganisation Oxfam regierte „enttäuscht“ auf die Ergebnisse des EU-Afrika-Gipfels. Einmal mehr seien die Interessen der Pharmalobby an erste Stelle gesetzt worden, kritisierte Oxfams Afrika-Direktor Peter Kamalingin. Er warb weiter für eine Aussetzung der Patentrechte bei den Corona-Impfstoffen. „Überwiegend positiv“ wertete indes Germanwatch die Gipfel-Resultate. Ein „großes Manko“ in Sachen Klimaschutz sei aber, dass dem Einsatz von fossilem Gas keine klare Absage erteilt worden sei.
Von Burkhard Jürgens und Markus Schönherr (KNA)
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