Flüchtlingsdrama in Bosnien
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Flüchtlingsdrama in Bosnien

Flucht und Asyl ‐ Weil in Bosnien Hunderte Flüchtlinge unter freiem Himmel ausharren müssen, übt die EU scharfe Kritik an dem Balkanland. Menschenrechtler dagegen sehen die Staatengemeinschaft selbst in der Verantwortung.

Erstellt: 08.01.2021
Aktualisiert: 08.01.2021
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Weil in Bosnien Hunderte Flüchtlinge unter freiem Himmel ausharren müssen, übt die EU scharfe Kritik an dem Balkanland. Menschenrechtler dagegen sehen die Staatengemeinschaft selbst in der Verantwortung.

Menschen, die bei eisigen Temperaturen unter freiem Himmel schlafen, sich in Flüssen waschen und zu Hunderten Schlange stehen für eine warme Mahlzeit – die Bilder, die Europa in diesen Tagen aus dem Nordwesten Bosniens erreichen sind erschreckend. Rund 2.900 Menschen harren dort seit Tagen rund um das ausgebrannte Flüchtlingslager Lipa in der Kälte aus. Das als Provisorium errichtete Camp war kurz vor Weihnachten von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geräumt worden, weil die bosnischen Behörden es nicht winterfest gemacht hatten. Kurz darauf brannten die Zelte aus, den damaligen Berichten zufolge hatten Bewohner das Feuer selbst gelegt.

Der Versuch der bosnischen Behörden, die Menschen mit Bussen in eine ehemalige Kaserne im Süden des Landes zu bringen, scheiterte am Widerstand von Anwohnern. Daraufhin wurden die Flüchtlinge und Migranten in das ausgebrannte Lager zurückgebracht. Dort werden sie von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz und der lokalen Initiative „SOS Bihac“ gegen den Widerstand lokaler Behörden mit dem Nötigsten versorgt.

Die Vereinten Nationen sind alarmiert. Der Gesundheitszustand vieler Menschen verschlechtere sich zunehmend, berichtete der IOM-Vertreter in Bosnien-Herzegowina, Peter Van der Auweraert. „Unsere humanitäre Hilfe kann zwar das menschliche Leid lindern, aber das Hauptproblem ist bisher ungelöst: die Unterbringung in einer sicheren und menschenwürdigen Unterkunft.“ Dabei gebe es eigentlich genügend Platz für alle. Eine mit EU-Geldern errichtete Unterkunft in der nahegelegenen Stadt Bihac steht seit September leer, weil die Anwohner massiven Widerstand gegen die Unterbringung von Flüchtlingen leisten.

Die EU kritisiert Bosnien scharf für diesen Umgang mit den Schutzsuchenden. Trotz Unterstützung auf höchster Ebene und finanzieller Hilfen hätten die Behörden des Landes kein effektives Aufnahme- und Asylsystem eingerichtet, moniert der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in einem Blogeintrag. Zuletzt habe die EU-Kommission dem Land am 3. Januar 3,5 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zugesagt.

Flüchtlingslager Lipa

Vertreter von Menschenrechtsorganisationen dagegen sehen das zentrale Problem in der europäischen Abschottungspolitik und werfen der EU Zynismus vor. „Die Europäische Union und die Mitgliedsstaaten, die im Jahr 2016 die Balkan-Route gewaltsam geschlossen haben und zeitgleich den Türkei-Deal mit Erdogan eingefädelt haben, tragen dazu bei, dass wir das Elend auf den griechischen Inseln und auf dem Balkan heute haben“, erklärte der Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, Karl Kopp, in einem Interview der „Tageszeitung“. Er betonte: „Die zynische Haltung der EU, wir geben etwas Geld und dann sollen die Menschen dort bleiben, ist irrig und lebensfern.“

Bosnien ist Teil der wichtigsten Transitroute für Flüchtlinge aus Asien, dem Nahen Osten und Nordafrika. Seit 2018 haben Zehntausende Flüchtlinge und Migranten das Land durchquert und teils in festen Unterkünften, teils in den Wäldern übernachtet. Viele Migranten hoffen, über die grüne Grenze in das westlich gelegene EU-Mitgliedsland Kroatien zu gelangen. Dort werden sie, nach allem was berichtet wird, von Grenzpolizisten gewaltsam gestoppt und zurückgeprügelt. Auch in den vergangenen Wintern kam es bereits zu dramatischen Szenen.

Kopp warf der EU und Deutschland vor, zu den permanenten Menschenrechtsverletzungen durch Kroatien zu schweigen. „Die Menschen müssen evakuiert werden. Und zwar in die Europäische Union“, forderte er und verlangt, dass insbesondere Deutschland in diesem Fall vorangehe und mit der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft schnelle Rettungsmaßnahmen herbeiführe.

Bei der deutschen Regierung stößt die Forderung bislang auf verhaltenes Echo. Pläne, Migranten nach Deutschland zu bringen gibt es Medienberichten zufolge nicht. Die Bundesregierung habe an die Verantwortlichen den Appell gerichtet, „umgehend vor Ort tragfähige Lösungen“ zu finden, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.

Auch die CDU-Politiker Friedrich Merz und Thorsten Frei sprachen sich gegen eine Aufnahme der Menschen aus Bosnien aus und warnten vor einem falschen Anreiz zur Migration nach Europa. SPD-Fraktionsvize Achim Post zeigte sich dagegen offen für eine Übernahme von Schutzsuchenden.

Im Norden Bosniens werden derweil Militärzelte für eine erneute provisorische Unterbringung der Obdachlosen hergerichtet. Ausreichend Schutz vor den eisigen Temperaturen werden sie wohl kaum bieten. Die Fortsetzung der humanitären Katastrophe vor den Toren der EU ist vorprogrammiert.

Von Michael Althaus (KNA)

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