Sr. Dorota: Wir wollen diese Untersuchung in einem Rahmen anbieten, der absolute Privatsphäre garantiert. HIV/Aids ist ein sehr sensibles Thema. Wir möchten die schwangeren Frauen, aber auch alle Langzeit-Patienten, die an HIV/Aids leiden, in Räumlichkeiten unterbringen, in denen wir sie gut, diskret und vertrauensvoll behandeln können. Denn wer in Ghana HIV/Aids hat, wird vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen.
Frage: Wie zeigt sich dieses Stigma?
Sr. Dorota: Ihre Familien wenden sich von HIV-Infizierten ab und stoßen sie aus. Viele der Erkrankten begreifen HIV/Aids deshalb als Folge eines Fluchs. Statt Medizin zu nehmen, suchen sie Hilfe bei dubiosen Heilern. Sie sollen die „bösen Geister“ vertreiben. Manche verstehen HIV/Aids auch falsch als eine nur vorübergehende Erkrankung. Ein 16-Jähriges Mädchen, das vor kurzem bei uns sein Kind zur Welt gebracht hat, ist HIV positiv getestet worden. Mit Medikamenten und einer speziellen Diät hat sie sich zunächst gut erholt, aber dann hat sie die Behandlung abgebrochen. Sie ist auf die Verhütungspille umgestiegen, um nie mehr schwanger zu werden, hat ihre eigene Infektion aber völlig aus dem Blick verloren. Sie hat unser Dorf inzwischen verlassen. Ein anderes Beispiel: Als ich eine unserer HIV/Aids-Patientinnen kurz vor meinem letzten Heimaturlaub besuchte, sah sie sehr gut aus und wog 65 Kilo. Sie fühlte sich sogar stark genug, um auf der Farm ihrer Familie zu arbeiten. Als ich wieder aus Polen zurückkam, habe ich sie nicht wiedererkannt. Sie brachte nur noch 45 Kilo auf die Waage und konnte kaum noch gehen. Ihre Familie hatte entschieden, ihre Medikamente abzusetzen, weil sie zu teuer waren. Die Familie schickte sie kurz darauf in den Norden Ghanas, aus dem sie ursprünglich kommt. Ich habe wenig Hoffnung, sie noch einmal wiederzusehen.
Frage: Wäre da nicht vor allem Aufklärungsarbeit nötig?
Sr. Dorota: Das versuchen wir unermüdlich! Wir informieren betroffene Familien, aber auch vor allem junge Leute, wie HIV übertragen wird und welche Folgen das Virus haben kann. Wir wollen vor den Gefahren dieser schrecklichen Krankheit warnen, aber gleichzeitig die Bevölkerung dazu ermutigen, allen HIV-Infizierten ohne Angst und Abweisung zu begegnen. Parallel stehen wir allen Betroffenen durch Akzeptanz und Pflege zur Seite. Neue Räumlichkeiten, in denen auch zusätzliches Personal beschäftigt werden soll, können uns in unserer Krankenstation dabei helfen, noch umfassender für diese Menschen da zu sein.
Von Markus Frädrich
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