Frage: Und was macht Missio in solchen Fällen?
Krämer: Wir unterstützen die betroffenen Christen dabei, die verbliebenen Freiräume zu nutzen oder auszuweiten. Und wir berichten hier bei uns in Deutschland über bedrängte Christen, um ein stärkeres Bewusstsein für ihre Situation zu schaffen. Wir sprechen mit politischen Entscheidungsträgern, damit sie sich noch entschiedener dafür einsetzen, dass das elementare, unteilbare Menschenrecht der Religionsfreiheit weltweit in vollem Umfang gewährleistet ist.
Frage: Wird das Thema in der Politik genug beachtet?
Krämer: Im Moment jedenfalls stärker als noch vor einiger Zeit, aber natürlich immer noch viel zu wenig. Da das Problem stark zunimmt, hat es eigentlich noch viel mehr Beachtung verdient. Es ist enorm wichtig, die Dinge klar beim Namen zu nennen! Vor allem in der Außenpolitik muss das Thema bei offiziellen Gesprächen deutlich benannt werden. Und die Politiker sollten auf ihren Auslandsreisen immer wieder den Kontakt suchen zu den Kräften vor Ort, die sich für Menschenrechte wie Religionsfreiheit in ihrer Heimat einsetzen. Wenn wir ihnen den Rücken stärken, wird das auch in der politischen Öffentlichkeit der jeweiligen Länder, die das Menschenrecht auf Religionsfreiheit verletzen, wahrgenommen. Das ist ein enorm wichtiger Dienst in dieser schwierigen Situation.
Frage: Aber stößt man da nicht auch schnell an Grenzen? Mit Boko Haram oder den IS-Milizen zu verhandeln, stelle ich mir schwierig vor ...
Krämer: Keine Frage. Aber unsere Ansprechpartner sind vor allem diejenigen, denen das friedliche Miteinander der Religionen ein Anliegen ist. Meiner Erfahrung nach ist das in allen Religionen die große Mehrheit. Es ist wichtig, denjenigen den Rücken zu stärken, die sich für Toleranz und Religionsfreiheit in ihren Ländern einsetzen. Auch wenn die Lage aktuell manchmal aussichtslos zu sein scheint, dürfen wir hier nicht nachlassen, diese Menschen zu bestärken.
Frage: Sind Sie in dieser Situation dafür, christliche Flüchtlinge bevorzugt in Deutschland und ganz Europa aufzunehmen?
Krämer: Christen, Muslime, Angehörige anderer Religionen oder Atheisten, alle haben sie das gleiche Recht, in Deutschland und Europa Schutz zu suchen. Was wir allerdings als ein kirchliches Hilfswerk und als Christen in Deutschland und Europa spezifisch für christliche Flüchtlinge aus den Krisengebieten dieser Welt tun können, ist, ihnen zu helfen, kulturell und religiös ein Stück Heimat hier zu finden. Diese Christen gehören verschiedenen Konfessionen an, die eine je eigene kulturell geprägte Glaubenspraxis pflegen. Hier können wir sie dabei unterstützen, in Deutschland und Europa ihren Glauben so zu leben, dass sie bei uns diese spirituelle Heimat finden können. Das gibt Halt und beugt dem Gefühl der Entwurzelung vor.
Von Gottfried Bohl (KNA)
© KNA