Chomalí: Die Kirche in Chile ist natürlich unabhängig vom Staat. Über die Bischofskonferenz in Santiago de Chile versuchen wir jedoch, die Regierung auf Missstände hinzuweisen und mit ihr in Kontakt zu treten. In diesem Zusammenhang spielen auch die Rektoren der katholischen Universitäten eine bedeutende Rolle. Sie stehen auf allen Ebenen in einem engen Austausch mit dem Staat.
Frage: Die Kirche in Ihrem Erzbistum setzt sich auch dafür ein, dass die Mapuche, die Ureinwohner Chiles, eine Chance auf Bildung erhalten. Die Katholische Universität von Concepción hat in Cañete extra eine Schule für die Mapuchejugend gegründet. Welche Rolle spielt für Sie das Engagement für die Mapuche?
Chomalí: Die katholische Kirche fühlt sich den Mapuches und allen anderen indigenen Gruppen stark verpflichtet. Gemeinsam mit ihnen versuchen wir, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Dabei verfolgen wir drei Ziele: Erstens, die Anerkennung der indigenen Bevölkerung zu erreichen; zweitens, eine Rückgewinnung derjenigen Ländereien, die den Mapuche rechtmäßig zustehen und drittens, die Indigenen in ihrer Identität zu stärken. Sie sind Mapuche und dürfen auch stolz darauf sein.
Frage: Welche Rolle spielt bei diesen Zielen der Zugang zur Bildung?
Chomalí: Viele Studenten, die in unserer katholischen Universität in Concepción eingeschrieben sind, gehören der Mapuche-Bevölkerung an. Darüber hinaus haben wir eine eigene Pastoralarbeit, die speziell auf die Bedürfnisse und die Situation der Mapuche ausgerichtet ist. In diesem Sinne ist die Kirche sehr bemüht, mehr soziale Gerechtigkeit für diese Bevölkerungsgruppe zu erreichen.
Frage: Folgen Sie mit Ihrem Einsatz für die Armen und Entrechteten dem Appell von Papst Franziskus, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen?
Chomalí: Ja, immer. Die Kirche in Chile fühlt sich den Armen und den Arbeitern ganz besonders verbunden. Darüber hinaus sorgt sie sich um die Menschenwürde und den Menschen an sich. Generell gilt dies aber für ganz Lateinamerika. Die Kirche dort liegt auf der Handlungslinie der
Option für die Armen
.
Frage: Die Bildungspolitik wird auch die neue Regierung Chiles beschäftigen. Michelle Bachelet hat bei den
Präsidentschaftswahlen
Mitte November mit 47 Prozent die absolute Mehrheit knapp verpasst. Im Dezember muss sie erneut gegen die Zweitplatzierte, Evelyn Matthei, antreten. Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung in Chile?
Chomalí: Chile ist in den letzten Jahren wirtschaftlich stark gewachsen. Allerdings hat das Land große Probleme mit der Verteilung des Reichtums. Ich wünsche mir von der neuen Regierung, dass sie für mehr soziale Gerechtigkeit sorgt. Darüber hinaus sollte sie eine stärkere Führerschaft übernehmen und den Ärmsten eine wirklich gute und exzellente Ausbildung bieten. Im Augenblick bestehen diese Möglichkeiten für die armen Bevölkerungsschichten nicht.
Das Interview führte Lena Kretschmann.