Geopolitisches Opfer der Geschichte: Wer sind die Drusen?
Majdal Schams ‐ In Majdal Schams wurden zwölf drusische Kinder von einer Rakete getötet. Wer sind die Drusen und was machen sie in der Region?
Aktualisiert: 14.08.2024
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Am Samstag traf eine Rakete der libanesischen Hisbollah ein Fußballfeld im drusischen Ort Majdal Schams in den von Israel besetzten Golanhöhen. Zwölf Kinder und Jugendliche wurden getötet. Auf der Beerdigung zeigte die Menge auch Unmut gegenüber der israelischen Regierung. Wer sind die Drusen und welche Rolle spielen sie in der Region?
Die Drusen sind eine aus dem Islam hervorgegangene Glaubensrichtung. Daneben spielen der Neuplatonismus und mystische Elemente eine Rolle in ihrer Lehre. Auch der Glaube an Seelenwanderung unterscheidet Drusen von Muslimen. Ihr Name leitet sich ab von einem der Gründer der Religion, dem persischen Prediger Muhammad ad-Darazi (11. Jahrhundert). Dabei bezeichnen sich Drusen selbst als „Muwahhidun“ (Bekenner der Einheit Gottes) und damit als Monotheisten.
Die Gemeinschaft der Drusen unterteilt sich in Unwissende und Eingeweihte. Eingeweihte sind an ihrer Kleidung erkennbar. Frauen tragen einen weißen Schleier, Männer einen weißen Turban sowie eine charakteristische türkische Kleidung mit weiten Hosen. Drusen missionieren nicht, der Übertritt in die Religion ist nicht möglich.
Traditionell siedelten Drusen in schwer zugänglichen Gebirgsgegenden in Nahost. Der Zerfall des osmanischen Reiches und die Einrichtung eines britischen und französischen Mandats führte von 1921 bis 1936 zum autonomen Drusenstaat. Seine Fahne ziert auch heute viele drusische Gebiete. Am Ende der Mandatszeit fanden sich die heute weltweit rund 1,1 Millionen Drusen in drei verschiedenen Ländern wieder.
Die größten Gemeinschaften sind in Syrien (690.000) und im Libanon (240.000). Im Libanongebirge kam es im 19. Jahrhundert zu einer Reihe von Bürgerkriegen zwischen maronitischen Christen und Drusen, dessen Auswirkungen bis nach Damaskus reichten und die zu internationalen Interventionen führten. Das Misstrauen zwischen Drusen und Christen im Libanon hält bis heute an. Ein unter libanesischen Christen geläufiger Satz lautet „Iss bei den Drusen, aber schlafe daheim“.
In Israel leben nach Angaben des zentralen Statistikbüros 150.000 Drusen. 122.000 von ihnen sind Israelis und leben in Galiläa und dem Karmelgebirge. Einen Sonderfall stellen die Golanhöhen dar. Im Sechstagekrieg eroberte Israel das Gebiet von Syrien und annektierte es 1981. International wurde dieser Schritt nicht anerkannt, mit Ausnahme von US-Präsident Donald Trump (2019).
Im Golan leben rund 28.000 Drusen. Mehrheitlich sind sie Syrer und lehnen die Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft ab. Jedoch habe die Zahl jener, die israelische Bürger werden, in den letzten zehn Jahren zugenommen, so das arabische Menschenrechtszentrums im Golan „Al-Marsad“ gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Viele Golandrusen leben von Landwirtschaft und Tourismus. Anders als israelische Drusen dienen sie meist nicht in der israelischen Armee. Pläne für eine Windkraftanlage im Golan lösten 2023 massive Proteste aus. Neben der politischen Komponente und dem Schaden für die traditionelle drusische Landwirtschaft fürchten Golandrusen auch gesundheitliche Schäden.
Auch zwischen den israelischen Drusen und der Regierung kommt es zu Spannungen. Die Frustration in der drusischen Gemeinschaft wachse, erklärte der drusisch-israelische Politikwissenschaftler Salim Brake in einem früheren Gespräch mit der KNA. Die Drusen fühlten sich als Bürger zweiter Klasse, obwohl sie in der Armee dienten und loyal gegenüber Israel seien. Der Anteil drusischer Offiziere liegt nach israelischen Angaben deutlich über ihrem Bevölkerungsanteil.
Ein Hauptstreitpunkt ist für Brake die Wohnungskrise. Fehlende Masterpläne und Hürden bei Baugenehmigungen verschärften das Problem. „1948 lebten 14.500 Drusen in Israel. Die Zahl hat sich verzehnfacht, aber es ist kein neuer Drusenort hinzugekommen“, so Brake.