„Ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte!“
Bonn ‐ Wie viele Menschen ohne Papiere in Deutschland leben, ist nicht bekannt. Was klar ist: Auch sie haben Rechte und verdienen ein Leben in Würde. Damit hat sich eine Tagung in Berlin beschäftigt.
Aktualisiert: 15.03.2024
Lesedauer:
In Berlin ist gestern (15. März 2024) die XVIII. Jahrestagung Illegalität, die vom Katholischen Forum Leben in der Illegalität, der Katholischen Akademie in Berlin und dem Rat für Migration ausgerichtet wurde, zu Ende gegangen. Unter dem Motto „Ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte!“ lag der Schwerpunkt auf den Menschen- und Grundrechten von Personen ohne regulären Status in Zeiten restriktiver Migrationspolitik. Angesichts der aufgeheizten gesellschaftlichen und politischen Migrationsdebatte wollte die Veranstaltung einen Beitrag zur faktenbasierten Diskussion leisten.
Der Vorsitzende des Katholischen Forums Leben in der Illegalität, Weihbischof Ansgar Puff (Köln), unterstrich: „Auch Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität haben Rechte. Diese sind durch internationale Verträge und nationale Gesetze garantiert.“ Er zitierte in diesem Zusammenhang Papst Johannes Paul II.: „Der Status der Ungesetzlichkeit rechtfertigt keine Abstriche bei der Würde des Migranten, der mit unveräußerlichen Rechten versehen ist, die weder verletzt noch unbeachtet gelassen werden dürfen.“ Außerdem erinnerte der Weihbischof an die im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angekündigte Einschränkung der Übermittlungspflicht: „Es gibt viele Argumente, die dafür sprechen, die Übermittlungspflicht im Gesundheitsbereich einzuschränken. Trotz Versprechungen der Bundesregierung und der gemeinsamen konstruktiven Arbeit vieler Organisationen und Verbände ist die Neuregelung noch immer nicht im parlamentarischen Verfahren und noch lange nicht umgesetzt. Das Katholische Forum Leben in der Illegalität hat dazu bereits 2022 relevanten Akteuren in Politik und Verwaltung einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Wir bleiben an dem Thema weiter dran.“
Hinsichtlich der menschenrechtlichen Dimension der Thematik formulierte Prof. Dr. Jürgen Bast (Justus-Liebig-Universität Gießen) in seinem Vortrag die These: „Undokumentierte Migranten und ihre Unterstützer sind Pioniere des Menschenrechtsschutzes. Sie haben unseren Blick auf Migration grundlegend verändert.“ Die Jahrestagung bot erneut rund 100 Expertinnen und Experten aus Kirche, Nichtregierungsorganisationen, Politik, Verwaltung und Wissenschaft die Gelegenheit zum Austausch und zu kritischer Reflexion. In einem Video des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) wurde anschaulich der Werdegang eines von aufenthaltsrechtlicher Illegalität Betroffenen geschildert. In einem anschließenden Podiumsgespräch mit den Bundestagsabgeordneten Hakan Demir (SPD) und Gökay Akbulut (Die Linke) sowie Stefan Keßler (Jesuiten-Flüchtlingsdienst) und Dr. Andrea Schlenker (Deutscher Caritasverband) vonseiten des Katholischen Forums wurden die Situation von Menschen „ohne Papiere“ und die Notwendigkeit politischer Antworten beleuchtet.
Rechtliche Hürden
In unterschiedlichen Foren wurden einzelne Aspekte des Lebens in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität vertieft und Lösungsansätze erörtert. Von den Teilnehmenden stark nachgefragte Themen waren unter anderem das Recht auf eine Geburtsurkunde, das Recht auf psychische und körperliche Gesundheit, der Zugang zu Bildung und der Schutz vor Arbeitsausbeutung. Sophie Funke und Anna Suerhoff vom Deutschen Institut für Menschenrechte erläuterten die bürokratischen und rechtlichen Hürden auf dem Weg zu einer Geburtsurkunde. Diese Barrieren seien vor allem deshalb problematisch, weil die Geburtsurkunde wesentliche Voraussetzung für den Erhalt sozialer Leistungen und die Wahrnehmung weiterer Rechte ist. Felix Wiese und Dorothea Herlemann von der Open-Med Ambulanz betonten, wie bedeutsam es ist, der betroffenen Personengruppe auch psychologische Unterstützung zukommen zu lassen: Traumatisierungen auf der Migrationsroute oder schlicht die Angst vor der Aufdeckung des illegalen Status haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Vorgestellt wurde zudem das von der EU-Kommission finanzierte Forschungsprojekt „I-CLAIM“, das die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migranten „ohne Papiere“ in sechs europäischen Ländern untersucht und an dem sich das Katholische Forum beteiligt.
Jenseits der bundespolitischen Gesetzgebung zum Thema Migration lag ein weiterer Schwerpunkt der Tagung auf kommunalpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Konzepte aus München, Berlin und Wiesbaden zeigten die Ideen unterschiedlicher deutscher Großstädte. Anhand aktueller Vorhaben in Utrecht (Niederlande), Bern und Zürich (Schweiz) wurden auch die Aktivitäten anderer europäischer Städte in den Blick genommen.
Das Katholische Forum Leben in der Illegalität
Das Katholische Forum Leben in der Illegalität wurde 2004 auf Initiative der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz gegründet. Es setzt sich dafür ein, dass Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland ihre grundlegenden sozialen Rechte in Anspruch nehmen können, ohne deshalb die Abschiebung befürchten zu müssen. Neben der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz sind der Deutsche Caritasverband, die Katholische Arbeitsgemeinschaft Migration, der Malteser-Hilfsdienst und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Träger des Forums. Weitere Informationen zum Katholischen Forum sind unter www.forum-illegalitaet.de zu finden.
DBK