Plakat: Kirche ohne Rassismus
Gemeinsamer Appell

Katholische Bischöfe erteilen rechten Parteien eine Absage

Berlin/Hamburg ‐ Wie steht die Kirche zur AfD? In einem jetzt bekanntgewordenen Appell reden die sechs für Ostdeutschland zuständigen katholischen Bischöfe Klartext. Doch auch im Westen tut sich etwas.

Erstellt: 19.01.2024
Aktualisiert: 20.01.2024
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Zum Beginn des Superwahljahrs warnen die sechs für Ostdeutschland zuständigen katholischen Bischöfe vor den Umtrieben rechter Parteien. In einem gemeinsamen Appell, über den am Donnerstagabend zuerst der „Spiegel“ berichtete, erklären sie unter Verweis auf ihr Gewissen, sie könnten die Positionen extremer Parteien wie der „III. Weg“, der Partei Heimat oder auch der AfD nicht akzeptieren.

Neben den Wahlen zum Europäischen Parlament finden 2024 Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das auch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt: „Krude Ausweisungsphantasien für Migranten und ihre Unterstützer, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, der alleinige Fokus auf Leistungsfähigkeit, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen sind mit diesen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbar.“

Die Bischöfe räumen ein, dass viele Menschen politische Entscheidungen nicht mehr verstünden. Sie seien verunsichert, wütend und hätten Angst vor dem sozialen Abstieg. Aber: „Das darf uns nicht dazu bringen, uns von populistischen Aussagen und scheinbar einfachen Lösungen vereinnahmen zu lassen.“ Unterzeichnet ist der Aufruf von den Erzbischöfen Heiner Koch (Berlin) und Stefan Heße (Hamburg) sowie den Bischöfen Gerhard Feige (Magdeburg), Ulrich Neymeyr (Erfurt), Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) und Wolfgang Ipolt (Görlitz).

Warnung vor langfristigen Folgen

Die Geistlichen rufen die Wähler auf, sich umfassend zu informieren und eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen: „Prüfen Sie bei Ihren Überlegungen die langfristigen Folgen für unser Zusammenleben, für Ihre Familien und auch für Sie ganz persönlich.“

Die Bischöfe erinnern zudem daran, dass die Orientierung an den christlichen Wurzeln, den Menschenrechten, den Werten der Demokratie, des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft Deutschland Frieden und Wohlstand gebracht hätten. „Auf dieser Grundlage werden wir auch die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.“ Sie appellieren an die Wähler: „Treten Sie ein für unsere freie und vielfältige Gesellschaftsordnung auf der Grundlage unserer Verfassung!“

Der Hamburger Erzbischof Heße sagte dem „Spiegel“, man sei im Dezember übereingekommen, sich jetzt zu äußern. Die AfD bezeichnete Heße als „demokratiefeindlich“, ihr Gedankengut als „völkisch und nationalistisch“. Der Erzbischof, der auch Flüchtlingsbischof der Deutschen Bischofskonferenz ist, weiter: „Eine Schnittmenge zwischen Christentum und AfD existiert nicht.“

Der Erfurter Bischof Neymeyr nannte den Appell einen „Weckruf für Katholiken in der AfD, die sich durch ihre Mitgliedschaft von ihrem Glauben entfremden“. Neymeyr fügte hinzu, er verstehe Unzufriedenheit mit der Politik nur bis zu einem gewissen Grad. Sein Verständnis ende da, „wo allgemein anerkannte Tatsachen geleugnet werden, etwa der menschengemachte Klimawandel“.

Unterstützung durch andere Bischöfe

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing hatte sich wiederholt von der AfD distanziert, unter anderem Ende Dezember in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“. „Katholisch zu sein und gleichzeitig AfD-Anhänger, das geht für mich nicht zusammen“, sagte der Bischof von Limburg damals.

In einer gemeinsamen Erklärung des Freiburger Erzbischofs Stephan Burger und der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Baden, Heike Springhart, heißt es, „Wir stehen ein für eine demokratische Gesellschaft und für die unverlierbare Würde jedes Menschen. Wer diese Würde mit Füßen tritt und sich von Rassismus und Menschenverachtung leiten lässt, verlässt den Boden unserer Demokratie. Mit rechtsradikalen und populistischen Gruppen mit einem demokratie- und menschenverachtenden Programm ist eine Zusammenarbeit nicht möglich. Wir stehen als evangelische und katholische Christen zusammen gegen die rechtsextremistische Spaltung unserer Gesellschaft und für ein breites Bündnis für Demokratie und Menschenrechte.“

Zuletzt hatte der Bischof von Münster, Felix Genn, rechtsextremistisches Gedankengut verurteilt und zum Schutz von Migranten aufgerufen. „Wir wenden uns gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus sowie Hass und Ablehnung“, sagte der Bischof am Freitag in Münster. Für Christinnen und Christen sei Nächstenliebe Programm, dazu gehöre die Achtung vor der Würde jedes Menschen. „Deshalb treten wir ein für Solidarität mit allen, die aus der Not heraus ein neues Leben in Frieden und Sicherheit in unserem Land suchen.“

Es gelte, diejenigen zu unterstützen, die Hilfe bräuchten oder bedroht, angegriffen oder diskriminiert würden. „Wir stehen ein für den Schutz der Schwachen, für ein friedfertiges Zusammenleben aller und für ein bedingungsloses Ja zu Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten.“

Das Bistum Münster verwies in seiner Mitteilung auf zahlreiche Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, beispielsweise in Münster, Recklinghausen und Kleve. In Kevelaer wird der Münsteraner Weihbischof Rolf Lohmann an einer Kundgebung teilnehmen. Die Demonstrationen in zahlreichen Städten sind Reaktionen auf die in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Massenvertreibungsüberlegungen rechter Kreise.

Auch katholische Organisationen rufen zu Protesten auf

Auch andere Bistümer sowie zahlreiche katholische Organisationen unterstützten die Forderungen der Bischöfe und riefen zur Teilnahme an den Demonstrationen auf. Das Hilfswerk Misereor, das sich weltweit für eine offene, plurale und solidarische Gesellschaft einsetzt, rief dazu auf, Menschenrechte zu schützen und die AfD zu stoppen. Nur gemeinsam und nicht durch Ausgrenzung und Spaltung werde eine weltweit gerechtere und menschenfreundlichere Welt gelingen, heißt es in einer Stellungnahme der Misereor-Geschäftsführung.

KNA

19.01.2024 16:30 Uhr: Ergänzt um Münster, Freiburg und das Hilfswerk Misereor