Freiwilligendienst Bosnien und Herzegowina, Jesuit Volunteers
Jesuit-Volunteers in Bosnien-Herzegowina

Raus aus der „heilen Welt“

JVs im Einsatz für Geflüchtete: Hugo und Klemens verbringen ein Jahr in der bosnischen Grenzstadt Bihac. Dort werden sie Zeugen menschlicher Tragödien, aber erfahren ebenso Dankbarkeit und Herzlichkeit.

Erstellt: 17.08.2023
Aktualisiert: 04.08.2023
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Fast dreimal so viele Menschen wie noch im Vorjahr sind 2022 über die „westliche Balkanroute“ in die Europäische Union geflüchtet, mit insgesamt 86.000 registrierten „irregulären Grenzübertretungen“ und zahlreichen Meldungen über – mitunter gewaltsame – „Pushbacks“ durch den Grenzschutz, vor allem an der kroatischen EU-Außengrenze. Zwei junge Jesuit Volunteers, Hugo Dobis aus Deutschland und Klemens Danner aus Österreich, haben die vergangenen Monate als Freiwillige im Team des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) in Bosnien-Herzegowina verbracht und das Phänomen der Migration hautnah erlebt.

Frage: Welche Erlebnisse oder Begegnungen fandet ihr während eures Einsatzes am beeindruckendsten?

Hugo: Insgesamt ist es die Herzlichkeit der Menschen. Ich erinnere mich z.B. an die Dankbarkeit eines einheimischen älteren Ehepaars, dem wir Non-Food-Artikel vor beigebracht haben. Für uns war das nur eine Fahrt mit dem Auto, aber die beiden haben uns zum Tee und zum Essen eingeladen. 

Klemens: Auf unseren „Outreach“-Fahrten besuchen wir Geflüchtete, die in verlassenen, abbruchreifen Häusern auf Gelegenheiten warten, die nahe kroatische Grenze zu überqueren. Einmal trafen wir in einem der Häuser nur einen einzigen Mann an, alle anderen hatten sich auf den Weg gemacht. Dann kamen auf einmal fast 30 Menschen zurück zum Haus, darunter fünf, sechs Kinder um die sechs Jahre alt. Die Erwachsenen berichteten, wie sie von der kroatischen Grenzpolizei zurückgedrängt wurden, dabei haben die Beamten in die Luft geschossen und Hunde losgelassen. Diesen Tag werde ich nicht vergessen.

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Frage: Was waren bzw. sind die größten Herausforderungen eures Einsatzes?

Hugo: Für mich persönlich sind das die Herausforderungen der Arbeitswelt an sich, das Handeln und Flexibelsein. Ich habe eine Sehbehinderung und bin dadurch zu 95 Prozent eingeschränkt. Die Infrastruktur hierzulande ist nicht mit der in Deutschland zu vergleichen, doch ich wollte diesen Schritt gehen und habe ihn nicht bereut.

Klemens: Wir verteilen Kleidung an Geflüchtete. Einmal sahen wir uns 80 Menschen gegenüber, aber hatten nur 40 Paar Schuhe dabei. Zu selektieren, wer wirklich bedürftig ist und die Schuhe benötigt, empfand ich als sehr herausfordernd.

Bosnien Freiwillige Jesuit Volunteers
Bild: © Jesuit Volunteers

Frage: Hat der Einsatz euren Blick auf die Welt verändert?

Hugo: Mich haben die acht Monate verändert. Am Anfang war die Kommunikation schwierig, aber ich habe gelernt, dass es am wichtigsten ist, einfach ein aufmerksamer Zuhörer zu sein. Außerdem erscheinen mir viele der Probleme, über die wir in Deutschland klagen, klein und unwichtig im Vergleich zu den Schicksalen der geflüchteten Menschen, die wir hier kennenlernen.

Klemens: Ich haben erlebt, wie Menschen Unrecht erfahren, etwa beim Vorgehen der Grenzschutzpolizei. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass man handeln muss angesichts solcher Vorfälle.

Frage: Wie seid ihr persönlich gewachsen? Was nehmt ihr mit für eure Zukunft?

Hugo: Mich hat der Einsatz darin bestätigt, den Weg zu gehen, den ich eingeschlagen habe. Meinen Plan, Soziale Arbeit zu studieren, werde ich weiterverfolgen und möchte danach im Bereich Migration arbeiten. Auch Bosnien werde ich wieder besuchen.

Klemens: Mich beeindrucken der Mut und die Zielstrebigkeit der Geflüchteten. Sie stammen aus Afghanistan, Syrien oder aus afrikanischen Ländern. Viele wurden zehn Mal oder häufiger beim Versuch, nach Europa zu gelangen, abgeschoben, aber versuchen es wieder und wieder. Dafür bewundere ich sie, das nehme ich mit, ebenso die Solidarität vieler Einheimischer, die die Jahre des Bürgerkriegs im eigenen Land nicht vergessen haben, mit den Geflüchteten.

Jesuit Volunteers

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Dieser Beitrag entstammt der Zeitschrift jesuitenweltweit, Ausgabe Sommer 2023. Wir danken für die Genehmigung zur Übernahme.