Jesuit Jörg Alt
Gesetzesbruch mit Priesterkragen

Wie der Jesuit Jörg Alt für eine andere Klimapolitik kämpft

Nürnberg ‐ Er ist wohl der bekannteste Jesuit bei Nürnbergs Strafverfolgungsbehörden: Pater Jörg Alt schreckt auch vor illegalen Aktionen nicht zurück. Denn für ihn ist die Lage beim Klima mehr als ernst.

Erstellt: 30.09.2022
Aktualisiert: 07.10.2022
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Von Christian Wölfel (KNA)

Ein CSU-Politiker unterstützt illegale Aktionen für den Klimaschutz. Hermann Imhof, ehemaliger Landtagsabgeordneter und Pflege- und Patientenbeauftragter unter Markus Söder, steht am 16. August wortwörtlich hinter dem Jesuiten Jörg Alt sowie den jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Da haben diese sich gerade mit Sekundenkleber vor dem Nürnberger Hauptbahnhof auf dem Altstadtring festgeklebt. Neben Imhof sind auch Mitbrüder von Alt hier - aus Solidarität mit dem Pater, der sich gleichfalls auf der Straße festgepappt hat, um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen: eine radikale Wende zugunsten des Klimaschutzes.

„Wir haben nur noch ganz, ganz wenig Zeit, um das Schlimmste zu verhindern“, sagt Alt. Drei Jahre seien es noch, doch der Mensch behandele immer nur die Krisen, die gerade spürbar seien. „Wir sind stolz auf unsere Vernunft, nur wir nutzen sie nicht.“ Der Jesuit ist kaum zu stoppen, wenn er über das Klima redet. „Wir müssen die Leute aufregen, damit sie anfangen, die richtigen Dinge zu diskutieren.“

Dabei habe er selbst vor kurzem noch keine Ahnung gehabt, berichtet der Pater. „Ich habe 2019 erst gelernt, was Kipppunkte sind.“ Dank der Bewegung „Fridays for future“, sagt er. Doch mittlerweile ist Alt mit der „Letzten Generation“ unterwegs, die im vergangenen Herbst in Berlin einen Hungerstreik veranstaltete. Oder mit der Gruppe „Extinction Rebellion“, die sich den zivilen Ungehorsam auf die Fahnen geschrieben hat. Das ist nun auch sein Weg: „Die Fridays sind einfach zu nett.“

Für seine erste Anzeige musste der Jesuit Polizei und Staatsanwaltschaft noch hinterherlaufen. Alt hatte Lebensmittel aus dem Müll von Supermärkten genommen, um sie zu verschenken. Containern heißt das. Die Staatsanwaltschaft wollte zunächst das Ermittlungsverfahren wegen schweren Diebstahls gegen ihn einstellen. Er schob Beweise gegen sich selbst nach, vermutete eine Sonderbehandlung als Priester.

Sein Ziel: mit der Aktion und ihren Folgen die Bundesregierung aufzufordern, endlich ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung anzugehen. Auch als er bewusst schwarz Straßenbahn fährt, um für billige Nahverkehrstickets zu demonstrieren, ist er als Geistlicher zu erkennen.

Den Priesterkragen trage er sonst nie; aber bei seinen Aktionen setzt ihn der Jesuit ein. Mit ihm sitzt Alt auch am 16. August nach der Straßenblockade in einem Polizeibus. Ihm werden Nötigung und ein Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen.

Der Pater hat schon andere Themen in die Öffentlichkeit getragen. Es ging um Landminen, mehr Rechte für illegale Migranten oder die Einführung einer Reichensteuer. Seine Hartnäckigkeit kann auf die Nerven gehen, gerade auch den politisch Verantwortlichen. Einst wurde er gar der „Terrier von Berlin“ genannt, wie er einmal erzählte.

Doch wie weit darf ein Mann der Kirche gehen, wenn es illegal wird? Der Pater sieht sich in einer gewissen Tradition, verweist auf das Kirchenasyl, die Friedensbewegung und die Wende in der DDR. Und er nennt seinen verstorbenen amerikanischen Ordensbruder Daniel Berrigan. Der hatte in einer Wehrpflichtbehörde Einberufungsbefehle zum Vietnamkrieg verbrannt und drang später in eine Atomwaffenfabrik ein. Dort zerstörte er mit Mitstreitern zwei Sprengkopfhülsen, übergoss mit eigenem Blut Werkzeichnungen sowie Werkzeuge und harrte bis zur Festnahme im Gebet aus.

Er selbst habe es viel leichter, sagt Alt, denn im Gegensatz zu Berrigan erfahre er von seinem Orden „nur Zustimmung“. Mitbrüder aus dem globalen Süden würden zudem zum Handeln drängen. Die Jesuiten gründen jetzt ein sozial-ökologisches Zentrum in Nürnberg. Es sieht sich dem Austausch zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik verpflichtet, will spirituelles Zentrum, aber auch Anlaufstelle für Aktivisten sein.

Dieses Ukama-Zentrum wird am Wochenende mit einem Kongress eröffnet. Für eine gewisse Prominenz, auch über die Klimaschutz-Szene hinaus, sorgt Jörg Alt sicher weiter. Auch wenn der zivile Ungehorsam nicht sein Markenzeichen sein soll, wie er sagt: „Ich werde weiterhin Messen lesen, Vorträge halten und Konferenzen planen.“