Der Katakombenpakt für eine Kirche der Armen
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Der Katakombenpakt für eine Kirche der Armen

Jubiläum ‐ Der Katakombenpakt von rund 40 Bischöfen der Weltkirche zählt zu den Meilensteinen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zum 50. Jahrestag dieser Vereinbarung erinnern sich Theologen und Bischöfe an die Anfänge der Gruppe „Kirche der Armen“.

Erstellt: 16.11.2015
Aktualisiert: 16.11.2015
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Schauplatz Rom, Domitilla-Katakomben, 16. November 1965: 40 Bischöfe treffen sich in der größten Katakombe Roms, um den Katakombenpakt zu unterzeichnen. Jeder einzelne Bischof verspricht, sein Leben grundsätzlich zu ändern: ein Leben ohne Machtinsignien, eine Kirche der Armen. Der Anstoß zu dem Pakt kam wohl von Papst Johannes XXIII., der in einer Rundfunkansprache vom 11. September 1962 von einer „Kirche der Armen" sprach. „Ein anderer erleuchtender Punkt: Im Angesicht der Entwicklungsländer präsentiert sich die Kirche so, wie sie ist und wie sie sein will, als Kirche aller, und besonders als Kirche der Armen.“

Auch wenn nach dem Konzil noch weitere 500 Bischöfe den Pakt unterzeichneten, ist er danach lange Zeit in Vergessenheit geraten. Der Theologe Norbert Arntz vom Institut für Theologie und Politik aus Münster hat sich intensiv mit der Aufarbeitung des Katakombenpakts beschäftigt. Über die Vorgeschichte und die Entstehung der Gruppe „Kirche der Armen“ sprach er mit Radio Vatikan: „Das war eine Gruppe, die sich gebildet hatte aus Konzilsvätern, die merkten, dass die Frage der Kluft zwischen Armut und Reichtum – Armut heißt nicht etwas weniger besitzen als andere, sondern Armut heißt vor der Zeit sterben müssen –, dass diese Kluft die brennende, zentrale Frage für die Kirche sein müsse und dass die Kirche sich vor allem an den Armen zu orientieren habe.“

Die Resonanz im Konzil für den Aufbruch der Gruppe „Kirche der Armen“ sei nicht besonders groß gewesen, so Arntz. So wollten die Bischöfe mit dem Katakombenpakt in ihrem eigenen Leben mit der Reform beginnen: „Wir beschließen, dass wir uns an 13 Selbstverpflichtungen orientieren wollen, die einem einfachen Lebensstil geschuldet sind, und haben das unter die Überschrift gesetzt: Für eine dienende und arme Kirche. Das heißt, sie haben gleichzeitig Position bezogen gegen eine herrschaftliche und reiche Kirche.“

Bischof Kräutler: Katakombenpakt auch heute noch richtungsweisend

Ein entschiedener Gegner einer solchen Kirche voller Prunk ist auch Bischof Erwin Kräutler. Der gebürtige Österreicher wirkt seit 1980 als Bischof in der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens, Xingu. Er hätte den Katakombenpakt sofort unterschrieben. Und er sieht ihn auch für heute noch als richtungsweisend an. Kirchliche Würdenträger müssen anders werden, so Kräutler im Gespräch mit Radio Vatikan: „Ich meine, wir müssen viele Dinge einfach ablegen. Wenn ich Bruder sein will, dann kann ich ja nicht anders daherkommen als meine Geschwister. Dann bin ich irgendwie wieder ein Außenstehender. Und das meine ich, will der Katakombenpakt eben nicht und Jesus wollte das nicht. Jesus ist aller Bruder gewesen und ist zu den Menschen gegangen.“

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Für Kräutler hat der Katakombenpakt schon seine Wirkung gehabt. Viele Bischöfe hätten ihn ernst genommen. Papst Franziskus greift jetzt in seinem Pontifikat Themen auf, die den Unterzeichnern des Katakombenpakts wichtig waren: „Die wollten damals eine andere Kirche. Papst Franziskus spricht von der Kirche der Armen, eine Kirche die arm sein soll, das kann man gar nicht trennen. Die Kirche ist Anwältin der Armen. Wir sprechen immer von der Option für die Armen. Nein, die Kirche soll eine arme sein. Wie es auch im Dokument von Aparecida von 2007 steht: Die Kirche soll die Heimat der Armen sein, da sollen sie sich wohlfühlen.“

Es gehört wohl zur Idee der Unterzeichner des Pakts, dass sie ihr Versprechen gerade in den Katakomben abgelegt haben. Das ist auch dem Direktor der Domitilla-Katakomben und Steyler Missionar Uwe Heisterhoff klar: „Die Katakomben als solche sind ein Ort der beginnenden Christenheit in Rom, die eigentlich vom Ursprung her Zeugnis geben von einer armen und verfolgten Kirche, einer Märtyrerkirche und so auch die Ursprünge des Christentums reflektieren, eine machtlose Kirche reflektieren, zumindest bis zur Zeit von Kaiser Konstantin.“

Domitilla-Katakomben – ein Ort der beginnenden Christenheit in Rom

Die unterirdische Basilika wird von zwei Säulenreihen in drei Schiffe unterteilt. In einer kleinen Apsis vorne steht ein Altar. Hier werden heute noch für Pilger Gottesdienste gefeiert. An diesem Altar wurde am 16. November 1965 der Katakombenpakt unterzeichnet. Aber warum gerade in den Domitilla-Katakomben? „Weil sie so alt ist“, erklärt Pater Heisterhoff. „Sie ensteht ja um das Jahr 120 herum auf einem Privatgrundstück der Römerin Flavia Domitilla. Das ist sehr früh. Das ist noch die Eigeninitiave einer christlichen Gemeinde, die hier eine Katakombe beginnt, wegen ihrem Glauben an die Auferstehung.“

„Die Kirchen, alle Kirchen, müssen die Stimme der Armen sein, und das soll nicht nur ein Engagement des Papstes sein. Jeder Bischof, jeder Priester, jeder Christ hat die Aufgabe, diese Ideen voranzutreiben.“

—  Zitat: Bischof Luigi Bettazzi, Unterzeichner des Katakombenpaktes

Der Katakombenpakt ist lange Zeit in Vergessenheit geraten. Der heute 91-jährige Bischof Luigi Bettazzi nahm am zweiten Vatikanischen Konzil teil und war auch einer der 40 Bischöfe, die den Pakt unterzeichnet haben: „Wir waren sehr engagiert, viele Unterschriften zu sammeln, damit die Inspiration der Bischöfe auch den Papst erreicht“, erklärt er. „Wir haben uns gefühlt, als würden wir im Endeffekt alle Bischöfe vertreten.“ Die Inhalte des Katakombenpakts sollten aus Sicht Bettazzis nicht nur Bischöfe beherzigen: „Ich denke, dass der Pakt auch heute sehr wichtig ist, in dieser Welt, wo die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Die Kirchen, alle Kirchen, müssen die Stimme der Armen sein, und das soll nicht nur ein Engagement des Papstes sein. Jeder Bischof, jeder Priester, jeder Christ hat die Aufgabe, diese Ideen voranzutreiben.“

Am heutigen Montag feiern Bischof Bettazzi und der lateinamerikanische Jesuit Jon Sobrino in den Domitilla-Katakomben einen Gottesdienst zu 50 Jahre Katakombenpakt. Eine Jubiläumswoche mit Workshops und Vorträgen endet am Dienstag. Hier wird auch Bischof Kräutler zu Wort kommen. Gegenüber Radio Vatikan fordert Kräutler eine Rückbesinnung auf den Katakombenpakt: „Dass wir zurückgehen zu den Wurzeln des Evangeliums, dass wir in Einfachheit, Schlichtheit unseren Dienst tun und leben. Und da meine ich, dass 50 Jahre eine kurze Zeit sind. Aber man hat ihn vergessen oder teilweise vergessen. Darum mein ich, vielleicht ist es heute der Augenblick, der kairos, dass wir zurückgehen auf das, was die Bischöfe damals gesagt haben, im Zusammenhang mit dem Konzil, am 16. November 1965.“

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