Die vergessene Herbergssuche
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Die vergessene Herbergssuche

Ukraine ‐ Angesichts der Flüchtlingssituation ist die Krise in der Ukraine in den Hintergrund geraten. Ein griechisch-katholischer Pfarrer in Bamberg weiß jedoch um die Not seiner Landsleute und hilft aktiv.

Erstellt: 22.12.2015
Aktualisiert: 16.12.2015
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Der heiße Kräutertee dampft schon in der Tasse, als Bogdan Puszkar von einer Betteltour heimkehrt. Die jungen Praktikanten Juliia Batrakova, Markiyan Prokhasko, Mariana Logvinenko und Nazarii Borovyi wissen nach einigen Wochen in seinem Pfarrhaus, was dem griechisch-katholischen Pfarrer aus der Ukraine die Lebensgeister zurückbringt. Schon nach wenigen Schlucken hat sich der 59-Jährige gefangen und sprudelt los. „Mit welchem Recht sollte ich dem einen weißen Schaf unter 99 schwarzen Schafen die Hilfe verweigern?“

In der Hoffnung, dass seine Aktionen den wirklich Notleidenden zugutekommen, organisiert Puszkar seit einem Jahr Hilfstransporte in die Ukraine. Er macht dies auch jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit. Der bewaffnete Konflikt in seiner Heimat sei aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten, sagt er. „Dabei gibt es täglich Tote.“ Trotz der Protokolle von Minsk sei der vereinbarte Waffenstillstand zwischen den Separatisten, russischen Eliteeinheiten und den ukrainischen Soldaten entlang der Frontlinie im Osten des Landes mehr als brüchig.

Atmosphäre der Angst

Aus vielen Telefonaten weiß der Geistliche von einer Atmosphäre der Angst in der Zivilbevölkerung, von Folterungen, Entführungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. „Die Menschen hungern und frieren“, wenn sie nicht aus den betroffenen Gebieten Donezk und Luhansk geflohen seien. Puszkar spricht von fast zwei Millionen Binnenflüchtlingen in den westlicheren Regionen der Ukraine. Einige Einwohner des Donezkbeckens reisten nach Russland und in die EU aus.

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So gelangten eine vierköpfige Familie und ein Familienvater über Polen nach Bamberg. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt – trotz nachgewiesener politischer Verfolgung. Die Abschiebung drohte. Pfarrer Puszkar gewährte den fünf Ukrainern daraufhin in seinem Pfarrhaus Kirchenasyl. „Ich kann nicht nur predigen und selbst nichts tun“, begründet er seinen Einsatz. Die Initiativen hätten im Übrigen auch das Gesicht seiner Gemeinde verändert. So ein Vorbild steckt an: „Das ist Caritas an der Basis.“

Viele Freiwillige finden sich etwa ein, um Kleiderspenden zu sortieren: 77 Tonnen sind in den vergangenen Monaten zusammengekommen. Der Geistliche und seine Helfer sammelten zudem 11 Tonnen Geschirr, 250 Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen, 160 Rollstühle. Aus Krankenhäusern in ganz Deutschland holt Puszkar OP-Tische, chirurgische Instrumente, Verbandsmaterialien und Krankenhausbetten ab. LKWs einer Nürnberger Transportfirma bringen die verzollten Güter in die Ukraine.

„Ich helfe jedem in Not“

Dort sorgt eine karitative Nichtregierungsorganisation dafür, dass alles an notleidende Flüchtlinge und die Verbliebenen in der Ost-Ukraine verteilt wird. Und der rührige Pfarrer scheute nicht davor zurück, höchstpersönlich 14 Rettungswagen in seine alte Heimat zu bringen – von Bamberg aus eine Strecke von fast 2.000 Kilometern.

„Ich helfe jedem in Not, gleich welcher Nationalität oder Religion“, sagt Puszkar. Denn: „Ich gebe nur Kredit, kein Almosen; eines Tages wird mir jemand etwas zurückgeben“, erklärt er lächelnd. Schon in diesem Jahr hat er 112.000 Euro an Spenden bekommen, um die bisher 30 Transporte bezahlen zu können. Und er ist sich sicher, dass er aus der Ukraine selbst eines Tages seinen „Kredit“ zurückerhält: „Die junge Generation ist nicht käuflich, sie wird das Land aus dem Schlamassel führen“, hofft Puszkar. Derzeit plant er schon einmal für 2016: Dann will er mehr als 500 Kindern aus der Ukraine Ferienfreizeiten in Franken ermöglichen.

Von Marion Krüger-Hundrup (KNA)

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