„Schier unüberwindliche Mauern“
Migration ‐ Noch so ausgefeilte Regelungen können nicht verhindern, dass illegale Migration stattfindet. Das Katholische Forum „Leben in der Illegalität“ fordert, die Grundrechte auch solcher Zuwanderer zu achten. Denn für sie sind die Hürden der Integration oftmals kaum zu überwinden.
Aktualisiert: 04.03.2016
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Aktueller hätte das Katholische Forum „Leben in der Illegalität“ kaum sein können. Rund 130.000 Asylsuchende sind nach jüngsten Medienberichten für die deutschen Behörden unauffindbar, viele von ihnen vermutlich in ein Leben ohne aufenthaltsrechtlichen Status abgetaucht. In Berlin berät das Aktionsbündnis von katholischen Institutionen, die sich für Flüchtlinge engagieren, bis Freitag über rechtliche und soziale Fragen, die sich daraus ergeben.
„Menschen ohne Papiere im Schatten der neuen Integrationsdebatte“ lautet das Thema der zwölften Jahrestagung, zu der das Forum eingeladen hat. Dessen Vorsitzender, der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle, hob zum Auftakt die sich zuspitzende Problematik dieser Migrantengruppe hervor. Schon für Zuwanderer mit Aufenthaltsstatus gleiche der Weg der Integration „einem Hürdenlauf“, so der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Menschen „ohne Papiere“ aber stießen „auf schier unüberwindliche Mauern“.
Dabei handelt es sich nach Aussage der Bremer Migrationsforscherin Dita Vogel nicht um Einzelfälle. Bei der Tagung schätzte sie die Zahl der „Illegalen“ auf bis zu eine halbe Million. Neu ist das Problem nicht. Von irregulärer Zuwanderung ist – wie fast alle Länder weltweit – auch Deutschland betroffen. Es sind etwa Reinigungs- und Pflegekräfte in Privathaushalten, in der Gastronomie oder auf dem Bau. „Illegal“ werden sie zumeist, wenn sie nach Ablauf von Besuchs- oder Studienvisa im Land bleiben oder sich einem Asylverfahren entziehen, wie es nun offenbar immer öfter geschieht.
Bereits der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky (1936–2011) hatte die Problematik zusammen mit seiner Migrationsbeauftragten, Schwester Cornelia Bührle, vor über 20 Jahren in der katholischen Kirche Deutschlands zur Sprache gebracht. Damit förderte er eine Debatte darüber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen und stieß sie mancherorts auch erst an.
Forum „Leben in der Illegalität“ – eine wichtige Stimme für Menschen ohne Aufenthaltsstatus
Mit ihrer Initiative zum Forum „Leben in der Illegalität“ gab die Deutsche Bischofskonferenz dem Thema 2004 eine institutionelle Form. Unter Leitung des Münsteraner Weihbischofs Josef Voß (1937–2009) und danach von Bischof Trelle dringt das Bündnis vor allem durch politische Lobbyarbeit darauf, die Lebensbedingungen der „Illegalen“ zu verbessern. Dafür engagieren sich unter anderen Caritas, Malteser und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Unterstützt werden sie vom Rat für Migration, einem bundesweiten Zusammenschluss von über 100 Wissenschaftlern, und der Katholischen Akademie in Berlin.
Einen wichtigen Erfolg kann das Forum auch für sich verbuchen, wie Trelle nun bilanzierte. So sind Schulen und Kindertagesstätten seit 2011 nicht mehr verpflichtet, den Aufenthaltsstatus eines Kindes den Behörden zu melden und damit dessen Familie der Gefahr auszusetzen, abgeschoben zu werden. In der Praxis sei diese Neuregelung jedoch noch nicht überall bekannt, kritisierte der Bischof zugleich.
Auch Ärzte und Krankenhäuser wüssten oft noch nicht, dass sie aufenthaltsrelevante Daten nicht mehr melden müssten, bemängelte der bischöfliche Migrationsbeauftragte weiter. In vielen Fällen scheitere eine notwendige medizinische Behandlung wegen der Angst der Patienten davor, dass ihr illegaler Aufenthalt bekannt wird. Als weitere Probleme nannte Trelle, dass irreguläre Migranten in der Praxis nicht ihre Rechte wahrnehmen könnten, ihre Kinder in ein Geburtsregister eintragen zu lassen oder vorenthaltenen Lohn einzuklagen. Auch in diesen Fällen setzen sie sich dem Risiko einer Abschiebung aus.
Die Verschärfung des Asylrechts könnte Flüchtlinge in die Illegalität drängen und eine „faktische Verweigerung“ von Grundrechten weiter fördern, warnte Trelle. Zwar habe der Staat das Recht, Einreise und Aufenthalt von Zuwanderern zu regulieren. Alle staatlichen Maßnahmen müssten zugleich aber „einem höheren Ziel dienen: der Wahrung der individuellen Würde jedes einzelnen Menschen – unabhängig von seiner Herkunft und unabhängig von seinem rechtlichen Status“.
Von Gregor Krumpholz (KNA)
© KNA
Pressemitteilung der DBK zur XII. Jahrestagung Illegalität (04.03.2016)
Impulsvortrag von Bischof Norbert Trelle bei der XII. Jahrestagung Illegalität (PDF)