Händler und Initiative kämpfen für Ethik in der Modebranche
Fairer Handel ‐ Gerade jetzt im Advent sorgt die Kundschaft wieder für glänzende Umsätze in der Modebranche. Dabei sind die Bedingungen in den Produktionsländern oft übel. Ein Händler und eine Initiative in Münster stemmen sich dagegen.
Aktualisiert: 14.12.2016
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Alle Jahre wieder ist sie da, die Hochsaison im Einzelhandel. Weihnachten rückt näher und die Geschäfte vermelden Spitzenumsätze. Einer von Münsters Händlern ist Lars Wittenbrink. Der 36-Jährige verkauft in der Altstadt Mode, die anders ist. Sein Laden ist ein „Ethical-Fashion-Store“, wie es neudeutsch heißt. Er handelt mit Waren aus fairer und ökologischer Produktion.
Wittenbrink ist damit ein absoluter Außenseiter in der Modebranche. „Ein Prozent vielleicht machen solche Produkte auf dem Markt aus“, sagt er. Das mag verwundern, denn die skandalösen Zustände in der Bekleidungsindustrie etwa in Bangladesch haben schon zu dicken Schlagzeilen geführt. „Das Problem ist gar nicht, dass die Leute kein Geld für unsere Waren ausgeben können“, analysiert Wittenbrink. Rund 100 Euro für einen guten Schuh oder eine anständige Jeans, das bezahle man auch in normalen Geschäften. Schwieriger sei es aber, die stete Nachfrage der Mittelschicht nach Variationen und aktuellen Trends im fairen Handel zu bedienen.
Wittenbrink bietet seine Waren in zwei bescheidenen Räumen an – dort findet sich von der Socke bis zur Mütze und vom Hemd bis zum Winter-Parka ein komplettes Sortiment. Aber eben ein alternatives.
Christliche Initiative Romero für faire Arbeit in den Produktionsländern
Kirsten Clodius weiß, wie ein Großteil der herkömmlichen Mode hergestellt wird. Die 40-Jährige arbeitet für die „Christliche Initiative Romero“ in Münster und kämpft für bessere Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Das Hauptproblem seien die vielen Schritte der Herstellung. „Sie schaffen zahllose Möglichkeiten, Menschen auszubeuten.“ Beispiel Baumwolle: Sind bei der Ernte Kinder beteiligt? Können die Arbeiter bei der Entkörnung von ihrem Lohn leben? Welche Arbeitszeiten gelten bei der Konfektionierung der Bestandteile?
Clodius hält sich zurück mit einfachen Schuldzuweisungen. „In Bangladesch und El Salvador ist die Arbeitsgesetzgebung theoretisch nicht schlecht“, sagt sie. Es fehlten aber Gewerkschaften, um die Rechte der Näherinnen durchzusetzen. Auch am Geld für Kontrollen mangelt es: „In El Salvador gibt es für Kontrolleure manchmal nicht mal den Sprit, um in die freien Wirtschaftsgebiete zu fahren.“ Hinter diesen Problemen steht unter anderem die enge Verbindung von Politik und Unternehmern.
Armut trotz Vollzeitstelle
Die deutschen Textilunternehmen achteten nur darauf, dass die nationalen Gesetze in den Produktionsländern nicht gebrochen werden, so Clodius. Aber der gesetzliche Mindestlohn dort reiche nicht zum Leben. „Armut trotz Vollzeitstelle“ nennt Clodius das. So liegt das Minimum in Indonesien bei umgerechnet rund 178 Euro. Organisationen wie die „Asia Floor Wage Alliance“ veranschlagen wenigstens 264 Euro für eine vierköpfige Familie als existenzsichere Grundlage.
Die Romero-Initiative verfolgt aufmerksam das politische Geschehen in Deutschland. Die Soziologin Clodius kennt das „Bündnis für nachhaltige Textilien“, ein 2014 unter Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) begründeter Zusammenschluss der Modebranche. „Jetzt endlich wird die Vereinigung mit verbindlichen Inhalten gefüllt“, sagt sie. Die etwa 200 Mitglieder, darunter KiK und große Teile der Outdoor-Branche, sollen ab 2018 die Arbeitsverhältnisse bei ihren Zulieferern veröffentlichen und bewerten lassen. Oft wüssten die Marken jedoch gar nicht, was wo hergestellt wird, weil sie Agenten mit der Auswahl von Fabriken beauftragten, so Clodius. „So kann die Produktion dann in Hinterhöfen stattfinden, und niemand weiß davon.“
Wittenbrink setzt mit seinem Modegeschäft darauf, das Klischee der fairen Mode loszuwerden. „Viele denken immer noch an ältere Damen in wallenden Gewändern.“ Für ihn ist aber klar, dass seinen Käufern – vom Studenten bis zum Besserverdiener – guter Stil wichtig ist. „Einige Kunden kommen, weil sie unsere Marken individuell finden.“ Und die Fairtrade-Siegel sähen sie dann als I-Tüpfelchen. Manche Käufer legten darauf wenig Wert. „Es gibt eine faire Jeansmarke, die gerade einfach cool ist“, berichtet Wittenbrink. „Dass die Hose aus nachhaltiger Produktion kommt, interessiert manche Kunden gar nicht.“
Von Jonas Mieves (KNA)
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