Die Angst vor der Dürre
Mali ‐ So wenig Regen wie 2018 ist im Sahel schon seit Jahren nicht mehr gefallen. Die Speicher sind leer, die Böden hart, und Familien in ganz Westafrika kämpfen ums Überleben.
Aktualisiert: 23.08.2018
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So wenig Regen wie 2018 ist im Sahel schon seit Jahren nicht mehr gefallen. Die Speicher sind leer, die Böden hart, und Familien in ganz Westafrika kämpfen ums Überleben.
Sira Traore lächelt bei der Frage, ob sie gerne auf dem Land lebe, und nickt. Das Landleben sei sehr gut, sagt sie, schränkt aber ein: „Wenn es nur endlich wieder regnen würde. Bleibt der Regen weiter aus, dann wird es richtig schwierig.“ Drei Jahre schon habe es in ihrem Dorf Same Plantation, das im malischen Teil der Sahelzone liegt, nicht mehr richtig geregnet. Manchmal sei ein Schauer gekommen, mal ein Sturm – aber nie genug, um vernünftig Regenfeldbau zu betreiben.
Traore zeigt auf den Boden, der die Entwicklung der vergangenen Jahre widerspiegelt. Es sind zwei Hektar, die sie gemeinsam mit 34 weiteren Frauen bewirtschaftet. An vielen Stellen ist er mittlerweile knochenhart geworden. Zwar wachsen noch Mais, Okraschoten und Zwiebeln. Doch die Erträge werden immer geringer. „Wir bräuchten gute Pumpen und ein System, mit dem wir die Fläche bewässern könnten. Doch dafür fehlt uns das Geld.“ Im Moment bleibt nur die Hoffnung, dass es in den kommenden Wochen etwas regnet und der Boden wieder weicher wird.
Die Region Kayes, die an der Grenze zum Senegal und zu Mauretanien liegt, steht beispielhaft für viele Dürre-Gebiete in den Sahelländern. In Mali betroffen sind auch Mopti, Gao und Timbuktu. Eine bedeutende Rolle spielen nicht zuletzt die Auswirkungen des Klimawandels. Deshalb hat die EU im Juli Mali, Mauretanien, dem Senegal, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Kamerun und dem Tschad humanitäre Hilfe in Höhe von 191,3 Millionen Euro zugesagt. Es handele sich um die „schwerste Nahrungsmittelkrise der vergangenen fünf Jahre“, so die Begründung. Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen spricht von 5,8 Millionen Menschen, die Hilfe benötigten, Nigeria und Kamerun nicht mitgerechnet.
Große Probleme bereitet allerdings nicht nur der fehlende Regen, sondern vielerorts auch die instabile politische Lage. Mali, wo sich zuletzt mehrere islamistische Terrorbewegungen zur „Unterstützergruppe des Islam und der Muslime“ zusammengeschlossen haben, ist besonders betroffen. In der Gegend um Mopti kommen ethnische Konflikte hinzu. Im Norden und in Zentralmali konnten während der Präsidentschaftswahl kürzlich Hunderte Wahllokale aus Sicherheitsgründen nicht öffnen. In der Stichwahl wurden rund 36.000 Soldaten, Polizisten und Ordnungshüter eingesetzt.
„Bisher konnten wir noch recht gut in diesen Gebieten arbeiten. Unsere lokalen Partner genießen eine Akzeptanz in der Bevölkerung und kennen die Machtgefüge und die Interessenkonstellationen“, sagt Bernd Schwenk, Landesdirektor der Welthungerhilfe in Mali. Dennoch sei die Arbeit schwieriger geworden. „Gerade in der Mopti-Region gibt es Fälle, bei denen unsere Partner signalisieren, dass sie sich bedroht fühlen.“
Oumar Kone, der in Kayes für die Organisation „Stop Sahel“ arbeitet, die Bildungs- und Landwirtschaftsprojekte betreut, fordert ein generelles Umdenken: „Wir müssen uns anpassen. Dazu gehört, dass wir beispielsweise Systeme entwickeln, um Wasser besser zu speichern.“ Das könnte unabhängiger vom sogenannten Regenfeldbau machen, der ausschließlich mit Wasser aus Niederschlägen auskommt. Bauern bräuchten zudem bessere Beratungsmöglichkeiten, Informationen über Wetterdienste und ertragreiches Saatgut.
An die Einführung neuer Saatgut-Variationen kann sich in Same Plantation auch Sira Traore gut erinnern. „Als Modibo Keita Präsident war, gab es eine neue Süßkartoffel-Art“, sagt sie. Sie werde seit den 1960er Jahren bis heute angebaut. Solche Innovationen fehlten heutzutage. Ohnehin fühlt sich Traore häufig so, als habe die malische Politik im fernen Bamako die Landbevölkerung vergessen. Dabei wird auf den Feldern rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. „Bei uns muss sich etwas ändern“, fordert die Mutter von vier Kindern. Nur so könne das Landleben attraktiv bleiben.
Von Katrin Gänsler (KNA)
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