Kardinal an Libanon: „Gründet eine Nation, keine Ministaaten“

Kardinal an Libanon: „Gründet eine Nation, keine Ministaaten“

Naher Osten ‐ Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Rai hat die politische Führung im Libanon aufgefordert, Verstöße gegen Verfassung und Nationalpakt zu stoppen. „Legen Sie den Grundstein für einen neuen Frieden, nicht für eine neue Revolution!“, sagte er.

Erstellt: 12.11.2020
Aktualisiert: 17.02.2023
Lesedauer: 

Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Rai hat die politische Führung im Libanon aufgefordert, Verstöße gegen Verfassung und Nationalpakt zu stoppen. „Legen Sie den Grundstein für einen neuen Frieden, nicht für eine neue Revolution!“, sagte das Kirchenoberhaupt laut örtlichen Medien (Montag) bei einem Besuch in der nordlibanesischen Küstenstadt Tripolis am Sonntag.

Die an der Regierungsbildung beteiligten „einflussreichen Politiker“ rief Rai dazu auf, „eine Nation, einen einzigen Staat und keine Nation von Ministaaten“ zu gründen. Der 80-Jährige zeigte sich besorgt darüber, dass die politische Klasse gegen eine Erneuerung des Landes sowie die von der internationalen Gemeinschaft geforderten Reformen kämpfe.

Erneut sei statt einer Spezialistenregierung eine Quotenregierung im Gespräch, kritisierte Rai. Es sei „absolut nicht hinnehmbar, dass eine Partei die Regierung dominiert und über ihre Form entscheidet, indem sie die Portfolios und die Namen ihrer Minister auswählt, während die anderen Parteien an den Rand gedrängt werden“, so der Patriarch.

Erneut forderte der Kardinal eine Untersuchung der Explosionen im Hafen von Beirut von Anfang August. Zudem brauche es staatliche Hilfe für die Opfer. Im Kampf gegen die Korruption im Land forderte er eine umfassende Untersuchung aller Institutionen, die mit staatlichen und bürgerlichen Geldern zu tun hätten, einschließlich der Nationalbank, des Finanz- sowie weiterer Ministerien.

Libanons Präsident Michel Aoun hatte den im Oktober 2019 auf Druck der libanesischen Protestbewegung zurückgetretenen Regierungschef Saad Hariri erneut beauftragt, eine Regierung zu bilden. Für Kritiker gilt der 50-jährige Sunnit als ein Vertreter der korrupten politischen Führungsklasse des Landes und seine Designation als Rückschlag für die seit einem Jahr andauernden Proteste.

Zuletzt war die Regierungsbildung Ende September mit dem Rücktritt von Mustafa Adib als designierter Ministerpräsident gescheitert. Die Vorgängerregierung von Ministerpräsident Hassan Diab war am 10. August als Konsequenz der Explosion im Hafen von Beirut am 4. August zurückgetreten, bei denen rund 190 Menschen starben. Seit Oktober 2019 halten Massenproteste gegen die politische Führungsriege, Missstände und Korruption im Land an.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

© Text: KNA