Wie „Missionare auf Zeit“ in Corona-Zeiten aus der Ferne helfen
Solidarität

Wie „Missionare auf Zeit“ in Corona-Zeiten aus der Ferne helfen

Münster/Bonn ‐ „Du bist ewig für das verantwortlich, was Du Dir vertraut gemacht hast“, heißt es beim kleinen Prinzen. Das mögen auch manche „Missionare auf Zeit“ spüren, wenn sie derzeit an vertraute Menschen in der Ferne denken.

Erstellt: 12.03.2021
Aktualisiert: 15.11.2022
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Juana hatte es schlimm erwischt - Covid-19. Ein schwerer Verlauf, die 62-jährige Peruanerin musste beatmet werden. Juanas Tochter Ana berichtete ihrer Freundin Eva Dreier in Deutschland von der Krankheit ihrer Mutter; auch andere Familienmitglieder hatten sich angesteckt. Was das Ganze umso schlimmer machte, waren die schier unbezahlbaren Kosten, die der Familie dadurch entstanden. Denn in Peru müssen die Menschen den knappen Sauerstoff selbst kaufen. Binnen kurzer Zeit kletterten die Kosten für eine einzige Sauerstoffflasche von 200 auf 500 Euro.

Für Dreier war es selbstverständlich, dass sie helfen würde. Sie startete einen Hilfeaufruf über die sozialen Netzwerke und sammelte innerhalb weniger Tage fast 3.000 Euro, die sie nach Peru überwies.

Dreier hatte Ana und ihre Familie in Lima kennengelernt; dorthin hatten die Hiltruper Missionsschwestern die junge Frau 2014 als „Missionarin auf Zeit“ (MaZ) entsandt. Dieser Freiwilligendienst dauert in der Regel ein Jahr. Die meisten treten ihn nach dem Abitur an.

„Bei vielen verstärken sich noch einmal Einstellungen in sozialer oder theologischer Hinsicht,“ sagt Markus Woettki, der bei den Steyler Missionaren für das MaZ-Programm zuständig ist. Häufig veränderten sich dadurch auch Studienwünsche oder berufliche Perspektiven.

Alle aussendenden Orden führen Rückkehrer-Seminare durch. Dabei drehen sich die Gespräche häufig um strukturelle Ungerechtigkeiten. „Die MaZ erleben sich als privilegiert, das wurde im letzten Jahr besonders deutlich. Einerseits waren sie dankbar, dass sie nach Deutschland zurückgeholt wurden, andererseits waren sie bedrückt, weil alle anderen ja bleiben mussten.“

Der oft überstürzte Aufbruch durch Corona verschärfte dieses Gefühl. „Das war dramatisch,“ sagt rückblickend Dario Hülsmann, zuständig für das MaZ-Programm der Hiltruper Missionsschwestern. „Viele MaZ hatten noch nicht einmal Zeit, sich von ihren Freunden und Kollegen zu verabschieden.“

Wieder zurück in Deutschland, setzten die „Missionare auf Zeit“ ihren Freiwilligendienst in deutschen Projekten fort. „Sozialkaufhaus, Tafel, Engagement für Geflüchtete,“ zählt Hülsmann auf. Das jeweilige Projekt im Entsendeland verliert aber kaum jemand aus dem Blick. „Ich versuche von hier aus etwas zu machen“, ist ein Satz, den Woettki vor allem im letzten Jahr häufig gehört hat.

Private Spendenaktionen wie die von Eva Dreier sind eher die Ausnahme, aber die Hilfsbereitschaft der MaZ ist ungebrochen. Ihre Mitfreiwillige Emely Farnow hat Fotos aus Peru zu Kunstdrucken verarbeitet, die für Spenden verkauft werden. Farnow erstellte nach ihrer überstürzten Rückkehr aus Lima die Website „Naranja con sal“ (Orange mit Salz). Zusammen mit Menschen vor Ort beschreibt sie darin die Situation der Bevölkerung und die veränderte Arbeit in ihrem Projekt. Jetzt gibt es dort statt berufsfördernder Kurse Essensausgaben an die zahlreichen Menschen, die vom Hunger bedroht sind.

Kontakt zu Projekt und Entsendeorganisationen

„Die globale Ungerechtigkeit ist ein Skandal“, findet Hülsmann. Ein völlig überlastetes Gesundheitswesen und staatliches Versagen seien Treiber der Pandemie. „Die Armen in Lateinamerika wurden durch Corona um zehn Jahre zurückgeworfen.“ Die Hiltruper Missionsschwestern haben zusammen mit zahlreichen anderen Organisationen einen Brief an die peruanische Regierung unterzeichnet, der das Staatsversagen anprangert.

Viele ehemalige MaZ halten Kontakte zum früheren Projekt und zu den Entsendeorganisationen. Die sozialen Netzwerke und Internetplattformen sind dabei eine große Hilfe; die MaZ-Netzwerke tragen ebenfalls dazu bei, Kontakte am Leben zu halten.

Die Orden selbst organisieren ebenfalls digitale Austauschmöglichkeiten. So haben die Spiritaner mit Rückkehrern eine wöchentliche digitale Sofaecke eingerichtet, zu der auch regelmäßig ProjektpartnerInnen eingeladen werden. Für sie ist das ein Beispiel dafür, wie sich Kontakte durch Corona sogar intensiviert haben.

So groß die Hilfsbereitschaft auch sein mag – Anas Mutter konnten die „Missionare auf Zeit“ dennoch nicht helfen. Juana ist Anfang Februar an Covid-19 gestorben.

Von Birgitta Negel-Täuber (KNA)

© Text: KNA