Caritas-Jahresbericht und Kritik an Impf-Nationalismus
Hilfswerk ‐ Die Corona-Pandemie hat nach Einschätzung von Caritas international weltweit zu einer der schwersten humanitären Krisen der jüngeren Geschichte geführt. „Nie zuvor hat eine einzelne Krise oder Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg gleichzeitig so viele Todesopfer gefordert und so viele Menschen in existenzielle Not gestürzt wie die Corona-Pandemie“, sagte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller bei der Vorstellung des neuen Jahresberichts.
Aktualisiert: 15.07.2021
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Die Corona-Pandemie hat nach Einschätzung von Caritas international weltweit zu einer der schwersten humanitären Krisen der jüngeren Geschichte geführt. „Nie zuvor hat eine einzelne Krise oder Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg gleichzeitig so viele Todesopfer gefordert und so viele Menschen in existenzielle Not gestürzt wie die Corona-Pandemie“, sagte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, am Mittwoch in Freiburg.
Die Zahl der Menschen, die weltweit humanitäre Hilfe benötigen, habe sich mehr als verdoppelt: von 167 Millionen Menschen im Jahr 2019 auf 439 Millionen Menschen im Jahr 2020. Im Schatten von Corona gebe es beispielsweise bei Malaria- und HIV/Aids-Erkrankungen dramatische Anstiege. Hungerkrisen hätten sich in vielen Staaten verschärft; besonders betroffen seien hier die Menschen in Sub-Sahara-Afrika.
Müller betonte, Deutschland und Europa dürften sich im Kampf gegen die globale Pandemie nicht auf die eigenen Grenzen zurückziehen. Es könne keine „Inseln der reichen Glückseligkeit in einem Meer von Elend und Armut“ geben. Caritas international kritisierte, dass die Staatengemeinschaft bislang nur rund die Hälfte der von den Vereinten Nationen geforderten Hilfen in Höhe von 38,5 Milliarden US-Dollar bereitgestellt habe.
Neue EU-Flüchtlingspolitik gefordert
Auch die Zahl der Flüchtlinge sei mit 82,4 Millionen so hoch wie nie, so Müller. Daher fordert Caritas international eine gesamteuropäische Migrations- und Flüchtlingspolitik. „Die kommende Bundesregierung steht in der Pflicht, hier nach Lösungen zu suchen. Wenn Staaten wie Polen, Ungarn oder Österreich dazu nicht bereit sind, sollten sich andere Staaten zusammen engagieren“, forderte Caritas-Präsident Peter Neher. Deutschland müsse hier vorangehen. „Es bleibt ein Skandal, dass Europa mit seinen großen Ressourcen nicht mehr tut.“
Der Caritas-Präsident wandte sich auch gegen Pläne, Asylverfahren verstärkt an die EU-Außengrenzen zu verlagern. „Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass faire Verfahren und effektiver Rechtsschutz für Schutzsuchende mit ihren vielfältigen Vorgeschichten an den Grenzen nicht gewährleistet werden können.“ Asylsuchende dürften nicht unter unmenschlichen Bedingungen an den EU-Außengrenzen festgehalten werden.
Fast zehn Prozent mehr Spenden
Caritas international sprach auch von einem bestürzenden „Impf-Nationalismus“. Aktuell entfielen 75 Prozent aller Corona-Impfungen weltweit auf nur zehn Staaten. „Dagegen haben beispielsweise von den 1,3 Milliarden Afrikanern bislang nur drei Prozent Zugang zu Impfungen“, kritisierte Leiter Oliver Müller. Caritas international fordere eine Abkehr von diesem „unethischen und ineffizienten“ Handeln. Dazu gehöre auch eine zeitlich befristete Freigabe der Patente auf Impfstoffe und Covid-Medikamente. „Wir haben diese Forderung erneut der Bundesregierung vorgetragen“, so Caritas-Präsident Peter Neher. Der globale „Impf-Notstand“ sei das derzeit drängendste humanitäre Problem weltweit.
Neher stellte zugleich den Jahresbericht von Caritas international vor. Demnach verzeichnete die Hilfsorganisation 2020 einen Anstieg der Spenden um rund zehn Prozent auf 36,7 Millionen Euro. Mittel in einer Gesamthöhe von 82,7 Millionen Euro seien in weltweit 74 Staaten eingesetzt worden. „Unsere Spenderinnen und Spender waren trotz der Gesundheitskrise im eigenen Land bereit, über den Tellerrand hinaus auch das Leid der Menschen in der Welt zu sehen. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagte Neher.
© KNA / Caritas international