Liebe alevitische Gläubige,
in diesen Tagen begehen Sie die Fastenzeit im Monat Muharrem und das sich anschließende Aşure-Fest. Im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und aller katholischen Christen in unserem Land wünsche ich Ihnen dazu Gottes reichen Segen.
Um die Ausbreitung eines lebensbedrohlichen Virus zu verhindern, müssen die Menschen in Deutschland, Europa und weltweit derzeit auf viele liebgewonnene Formen des Feierns und der Gemeinschaft verzichten. Auch der diesjährige Muharrem steht ganz im Zeichen der Covid-19-Pandemie. Vielen von uns fehlen die Begegnungen mit Familienangehörigen und Freunden, die sonst zu unseren Festen dazugehören. Gleichzeitig sind wir in Sorge um uns nahestehende Menschen, die einer Risikogruppe angehören, oder mussten sogar Todesfälle beklagen. Bei allem Leid dürfen wir aber auch Momente der Solidarität und Mitmenschlichkeit erleben, die Anlass zu Dankbarkeit geben.
In Zeiten der Bedrängnis ruft der Apostel Paulus die Brüder und Schwestern dazu auf, einmütig zu sein und Spaltungen zu überwinden (vgl. 1 Kor 1,10). Einen ähnlichen Gedanken finden wir in einem Wort des von Ihnen sehr verehrten Hacı Bektaş Veli: „Lasst uns einig, stark und lebendig sein.“ Angesichts eines Virus, das ohne Rücksicht auf Grenzen, Ethnien und Religionen wütet, gilt es stärker denn je, das Verbindende wiederzuentdecken. Nur durch ein Mehr an Dialog und ein Mehr an Zusammenarbeit werden wir die anstehenden Aufgaben bewältigen können.
Die von Ihnen begangenen Feiertage passen dieses Jahr in besonderer Weise zur Lage unserer Welt. Denn sie wissen sowohl um das Leid als auch um das Hoffen des Menschen: Dem Gedenken an die Opfer der Schlacht von Kerbela folgt die freudige Erinnerung an den Neuanfang derer, die eine Katastrophe überlebten. Am Aşure-Fest richten Sie den Blick nach vorn: auf eine Zukunft, in der die eine Menschheitsfamilie das Trennende hinter sich lässt. Hoffen wir in diesem Sinne gemeinsam auf eine Zukunft, in der wir uns als Zeichen der Einheit und Verbundenheit wieder gegenseitig zu unseren Festen einladen und besuchen können.
Möge Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, Ihnen in den Gemeinden und Familien eine erfüllte Fastenzeit und ein von Zuversicht geprägtes Aşure-Fest gewähren.
Friede sei mit Ihnen!
Dr. Karlheinz Diez
Weihbischof im Bistum Fulda