Frage: Was muss weltweit getan werden, um diese Armut wirksam zu bekämpfen?
Burger: Da gibt es keine einfache Antwort, aber schon ein paar Möglichkeiten: Etwa unser aller Einsatz – ob politisch, kirchlich, diplomatisch oder gesellschaftlich, dass Kriege beendet und verhindert werden. Denn die gehören zu den Hauptursachen für Armut und Not. Hier sind alle Staaten aufgerufen, friedliche Lösungen für alle Beteiligten zu finden und nicht nach eigenen nationalen Interessen zu agieren. Außerdem ist unser aller Umgang mit Schöpfung, Natur und Klima für Armut mitverantwortlich. Das ist eine Form der Armutsbekämpfung, an der jeder mitwirken kann, die man nicht sofort sieht. Solange wir die Ausbeutung der Erde in anderen Teilen der Welt zu Hungerlöhnen akzeptieren, um selbst Fleisch und Obst besonders billig kaufen zu können, wird weiterhin Ungleichheit produziert, die Natur und damit Lebensraum zerstört und Armut von Menschen manifestiert.
Frage: Und was muss bei uns in Deutschland passieren?
Burger: Hier gibt es spezielle Armutsrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter. Da Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit und Armut sehr eng zusammenhängen, müssen Politik und Gesellschaft genau hier ansetzen. Deutschland ist ein Sozialstaat, und doch ist die Armut Alltag für viele unter uns. Es braucht mehr sozialen Wohnungsbau, es braucht Konzepte für die Zukunft des Rentensystems, damit nicht bald ganze Generationen von Armut bedroht sind. Zudem braucht es bessere Angebote, um arbeitslose Menschen wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Das sind große und drängende politische Herausforderungen. Als Kirche sind wir seit langem etwa mit der Caritas an diesen Themen dran. Die Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ will genau auf diese Armutsrisiken aufmerksam machen. Und viele Hauptamtliche und Ehrenamtliche engagieren sich seit vielen Jahren in diversen Einrichtungen, um Menschen in Not zu helfen – ob durch materielle, medizinische oder andere Hilfen.
Frage: Was kann so ein Welttag tatsächlich bringen außer ein paar schönen Worten?
Burger: Das liegt letztlich an uns. An dem, was wir daraus machen. Es bleiben tatsächlich nur ein paar schöne Worte, wenn wir nicht aktiv werden. Daher ist jeder Einzelne von uns aufgefordert, diesen Tag nach seinen Möglichkeiten zu nutzen, um Armut zu bekämpfen.
Frage: Was kann jeder Einzelne von uns gegen Armut tun?
Burger: Von der Essenseinladung über die Kleiderspende bis zum ehrenamtlichen Einsatz – jeder kann etwas tun. Und mit diesem Einsatz hat jeder Mensch zugleich Vorbildfunktion für andere, das dürfen wir nicht vergessen. Wenn einer anfängt, kann er andere anstecken, ermuntern, zur Nachfolge motivieren.
Frage: Und was wünschen Sie sich von der Politik?
Burger: Ich wünsche mir, dass zuerst die konkreten Menschen gesehen werden und nicht Armut abstrakt als zu behebendes Problem. Ich wünsche mir, dass der Mensch wieder mehr in den Fokus gerät und nicht Statistiken, Zahlen, Ober- und Untergrenzen die Debatten über Armut beherrschen.
Frage: Wann ist der „Welttag der Armen“ ein Erfolg?
Burger: Wenn mehr Menschen merken, dass jeder irgendwann von Armut bedroht sein könnte und Armut nicht selbstverschuldet ist. Wenn mehr Menschen merken, dass Wohlstand nicht automatisch Leistung bedeutet und Armut im Umkehrschluss automatisch fehlende Leistung. Armut ist etwas, das uns allen widerfahren, das uns alle treffen kann. Armut ist ein Aufruf an unsere Nächstenliebe, an unser Mensch-Sein. Wenn dies wirklich in das Bewusstsein tritt, kann man nicht mehr wegschauen, wenn man Menschen in Not begegnet, sondern man reagiert solidarisch und helfend.
Das Interview führte Gottfried Bohl (KNA)
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