Ursprünglich für den Vizepräsidentenposten unter Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) vorgesehen, übernahm Haddad Mitte September die Kandidatur des von der Justiz gesperrten Lula.
Im Januar hatte ein Gericht Lula zu mehr als zwölf Jahren Haft wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt, seit April sitzt der ehemalige Volksheld im Gefängnis. Trotzdem hielt er bis Anfang September an seiner erneuten Kandidatur fest. Umfragen prognostizierten Lula zwischenzeitlich einen haushohen Sieg. Denn während seiner Regierung waren Millionen Brasilianer sozial aufgestiegen. Am 1. September untersagte die Justiz schließlich Lulas Kandidatur – für ihn und seine Arbeiterpartei „ein Komplott“.
Haddad verspricht eine Rückkehr zu der Sozialpolitik unter Lula. Zudem will er in den Ausbau des öffentlichen Bildungssystems investieren. Banken und Spitzenverdiener sollen dafür stärker zur Kasse gebeten werden. Unternehmer und die Finanzmärkte tendieren deshalb eher zu Bolsonaro, der auf den wirtschaftsfreundlichen Finanzguru Paulo Guedes setzt. Anfang der Woche quittierten die Finanzmärkte Bolsonaros Umfragehoch dann auch mit euphorischen Kurssprüngen.
Keine Wahlempfehlung der katholischen Kirche
Während sich evangelikale Kirchen eindeutig für Bolsonaro positionieren, gibt die katholische Kirche Brasiliens keine Wahlempfehlung. Sie forderte jedoch die Wähler auf, Kandidaten auf ihre Fürsorge gegenüber der Allgemeinheit und ihrer Verpflichtung zu sozialen Anliegen hin zu überprüfen. Bei Umfragen gaben 21 Prozent der katholischen Wähler an, links wählen zu wollen; bei den evangelikalen waren dies nur 6 Prozent.
Obwohl Brasilien zwischen 2015 und 2017 eine historisch einmalige ökonomische Talfahrt erlebte, Millionen Bürger arbeitslos sind und die öffentlichen Kassen vor dem Kollaps stehen, kommt das Thema Wirtschaft im Wahlkampf überraschend wenig vor. Vielmehr sind die Wähler besorgt über die ausufernde Korruption und Gewalt. In Sozialen Netzwerken geben sich linke und rechte Gruppen gegenseitig die Schuld an der Misere.
Die teils absurden Debatten machen selbst vor der deutschen Geschichte nicht Halt. So behaupten rechte Gruppen, dass Hitlers NSDAP in Wahrheit eine linke Partei gewesen sei. Brasiliens Linke plane zudem, das Land in eine kommunistische Diktatur nach kubanischem Vorbild zu verwandeln. Zuletzt stellte Bolsonaro klar, er werde eine Wahlniederlage nicht akzeptieren. Einem Wahlsieg der linken PT werde das Militär nicht untätig zuschauen, orakelte er.
Von Thomas Milz (KNA)
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