Frage: Sehen Sie denn unter den Ländern Lateinamerikas eine gewisse Solidarisierung? Oder färbt die aggressive Stimmung aus den USA auch schon auf das Klima ab?
Klaschka: Eine Solidarisierung etwa der Völker in Mexiko mit den Völkern in Guatemala, El Salvador oder Honduras sehe ich noch nicht am Horizont. Vielmehr sehe ich einen möglichen Domino-Effekt: Der Mauer zwischen den USA und Mexiko könnten Mauern etwa zwischen Mexiko und Guatemala folgen - sei es in wörtlichem oder in übertragenem Sinne. Dann droht die Mentalität um sich zu greifen: Das Hemd ist mir näher als die Jacke.
Frage: Macht Ihnen die Entwicklung in den wichtigen Ländern Argentinien und Brasilien Sorge? Als Sie 2004 begannen, waren beide klar auf dem Weg nach oben. Jetzt ist das Barometer tief im Keller.
Klaschka: Die Tendenz des sozialen Aufstiegs schuf damals Perspektiven für viele Menschen. In Brasilien sind viele aus der Armut in den Mittelstand aufgestiegen; mehr als 30 Millionen Menschen. Sie rutschen jetzt wieder in die Armut ab. Nicht alle, aber viele. Das macht mir Sorgen, ja. In Argentinien gibt es einen ähnlichen Prozess. Die Regierungen haben es versäumt, den Aufschwung den Benachteiligten zugutekommen zu lassen und mehr Gerechtigkeit in den Einkommensverhältnissen zu schaffen. Der innerstaatliche Friede könnte auf Dauer gefährdet werden, insbesondere durch die weit verbreitete Korruption, die immer deutlicher zutage tritt.
Frage: Welche Projekte oder Ideen hätten Sie in Ihrer Amtszeit bei Adveniat gern noch erreicht?
Klaschka: Insbesondere für die Vision, dass sich Kirche mit ihrer sozialen Verantwortung aus dem Glauben mehr in die Welt einbringt, hat Adveniat in den vergangenen Jahren wichtige Schritte getan. Was Lateinamerika selbst betrifft, können wir an vielen Orten Lichter entzünden, die dunkle Situationen erhellen und Menschen Hoffnung geben. Darin sehe ich eine Kernaufgabe von Adveniat.
Frage: Gab es für ihre Arbeit Rückenwind durch den südamerikanischen Papst?
Klaschka: Nach der Wahl von Papst Franziskus 2013 gab es insbesondere auch von den Medien wieder größeres Interesse an Lateinamerika. Da konnten wir unsere Fachkompetenz und unsere Perspektive gut einbringen. Auch bei den Spenden spüren wir einen Rückenwind, der uns stärkt. Die Art, wie sich Papst Franziskus auf die Menschen einlässt, motiviert andere, für die Armen zu spenden. Er sagt ja nicht nur: Helft den Armen. Sondern er sagt uns als Kirche: Seid selbst arm, um dadurch frei zu werden.
Frage: Was war der traurigste Moment Ihrer Amtszeit und was der schönste?
Klaschka: Der traurigste Moment war für mich die Begegnung mit den am Rande der Existenz Lebenden in Haiti. Als ich 2009 zum ersten Mal vor Ort war, habe ich eine Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit gespürt. Dort ist es wichtig, dass wir nicht nur Entwicklungsprojekte initiieren, sondern den Haitianern sagen: Du bist nicht allein, wir sind bei dir, wir verlassen dich nicht. Umgekehrt waren die freudigsten Momente die Begegnungen mit den Armen in den verschiedensten Ländern, die trotz ihrer Armut ihre Hoffnung nicht verlieren und damit auch mir Hoffnung gegeben haben. Sie waren Lehrmeister des Lebens für mich.
Frage: Was macht Prälat Klaschka ab 3. März?
Klaschka: Erst mal eine kleine Pause zur Besinnung, um auch von Adveniat loszulassen. Ab Sommer will ich mich dann der Krankenhausseelsorge widmen. Ich möchte Kranke begleiten, trösten, stärken - mit meinen Erfahrungen von den indigenen Menschen Lateinamerikas, die dort seit Jahrtausenden ganzheitlich mit Krankheit und Gesundheit umgehen.
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