Paffhausen: Ich denke, man wird noch abwarten müssen, wie belastbar die Vorwürfe sind. Dann wird man gegebenenfalls einen Rücktritt fordern. Man muss zwei Dinge beachten: Es gibt natürlich die ganzen Korruptionsskandale, in die sie offensichtlich mit verwickelt ist. Es gibt aber auch eine ganze Menge Stimmungsmache. Politische Splittergruppen versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Insofern ist die Faktenlage momentan noch sehr unübersichtlich.
Frage: Wissen Sie etwas darüber, wie die Kirche zu diesen Protesten steht?
Paffhausen: Die Kirche versucht, hier zu differenzieren. Einerseits stehen die Fakten wie die Korruption im Raum. Andererseits wird geschaut, was nur einem politischen Agitieren geschuldet ist. Gleichfalls muss man aber sagen, dass auch breite Kreise der Kirche gerade in die Partei PT, in den ehemaligen Staatschef Lula da Silva und damit in dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff große Hoffnungen gesetzt haben. Diese Hoffnungen scheinen durch die Bank enttäuscht worden zu sein. Gerade jetzt, wo offenbar wird, dass auch die PT letzten Endes nach den bekannten Regeln der Politik – sprich Korruption und Bestechung – gespielt hat.
Frage: Am Mittwoch starten in Brasilia die ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen. Da geht es auch um die Zusammenarbeit in Umwelt- und Klimafragen. Was wünschen Sie sich von der Kanzlerin? Was soll die dringend ansprechen? Stichwort: Menschenrechte.
Paffhausen: Menschenrechte sind nach wie vor ein Thema. Insbesondere geht es auch um gerechte Arbeitsbedingungen. Wir sehen immer wieder sowohl bei den Stadienbauten als auch in entlegenen Regionen des Amazonasgebietes Phänomene, die sich als Sklavenarbeit bezeichnen lassen. Dies wird auch immer wieder von der Kirche stark kritisiert. Als jemand, der bei Adveniat auch für das Amazonasgebiet zuständig ist, wünsche ich mir natürlich, dass konkrete Ergebnisse beim Klimafortschritt erzielt werden. Idealerweise so, dass eine Energiewende auch in Brasilien Erfolg haben könnte. Das wäre sicher ein wichtiges Thema, das die beiden Staatschefinnen ausdiskutieren sollten.
Frage: Im kommenden Jahr werden in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele ausgerichtet. Muss man da wieder befürchten, dass die Masse der Menschen nicht von diesem Megaevent profitiert?
Paffhausen: Leider deutet alles darauf hin. Das sogenannte Olympische Dorf ist letzten Endes ein riesiges Luxus-Wohngebiet. Die Wohnungen werden jetzt schon für die nacholympische Zeit zu Höchstpreisen verkauft. Das ganze Olympische Dorf liegt in der Region Barra, das sich in den letzten Jahren ohnehin schon zu den Vierteln der Reichen entwickelt hat. Dort entsteht eigentlich ein Reichenviertel mit Golf- und Tennisplätzen, so dass die Masse der Bevölkerung besonders in den Randgebieten der Großstadt wohl kaum Nutznießer sein kann.
Das Interview führte Hilde Regeniter.
Mit freundlichem Dank für die Genehmigung an domradio.de.
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