Sind sie Zaungäste eines Geschehens, wie es ihre Tribüne suggeriert? Oder sind sie Protagonisten jenes Einheitswillens, den sie heute in ihren Statements in heimische Mikrofone oder der anwesenden Jugend bekundet haben? In einem Jahr voller Gedenktage – 100. Geburtstag und 10. Todestag von Frere Roger, 75. Jahrestag der Grundsteinlegung für Taize – dient der Blick zurück auch der Selbstvergewisserung. Taize sei unter ihm katholischer geworden, sagt der katholische Nachfolger Frere Rogers, Frere Alois, geradeheraus – und dann, ein bisschen spitz: „und auch evangelischer“.
Taize habe seine Wurzeln auch in der Reformation, so der Prior. „Von mir persönlich kann ich sagen: Ich habe hier einen viel stärkeren Bezug zum Wort Gottes gefunden. Ich habe viel tiefer verstanden, dass die Liebe und die Gnade Gottes immer zuerst da ist.“ Zugleich hat die Gemeinschaft von Taize immer betont, „dass für die Einheit der Christen auch ein Dienst an der Einheit nötig ist“. Und der werde vom Bischof von Rom ausgeübt. „Papst Franziskus spricht ja längst nicht mehr nur zu den Katholiken, sondern wird auch von anderen Christen und anderen Religionen gehört.“
Weiter zu neuen Ufern
Stillstand und Selbstzufriedenheit, das waren Horrorszenarien für den Taize-Gründer Frere Roger. Und so soll es nach dem Gedenken auch weiter zu neuen Ufern gehen. Im September eröffnet die Gemeinschaft eine kleine Fraternität auf Kuba, um Jugendlichen in ihrer Perspektivlosigkeit beizustehen.
Als weiteren wichtigen Ort nennt Frere Alois China. „Wir müssen dieses Land viel besser verstehen lernen“, mahnt er. Es brauche mehr als wirtschaftliche Expansion. Wenn man nicht zugleich den Menschen nahe sei, entstünden „große kulturelle und historische Missverständnisse“. Und für 2016 bereitet die Gemeinschaft in Cotonou, Benin, ein großes afrikanisches Jugendtreffen vor: in „einer jungen Kirche mit enormer Vitalität“.
Am Hang jenes Hügels von Taize, wo die Sonne so wunderschön untergehen kann, klangen an einem Regentag vor zehn Jahren die Gesänge von der Beisetzung Frere Rogers wider. Heute sitzen dort junge Erwachsene, die damals noch mit Puppen und Raketen spielten. In der Dämmerung eines denkwürdigen Tages träumen sie von der besseren Welt.
Von Alexander Brüggemann (KNA)
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