Frage: Bayern will Flüchtlinge vom Westbalkan künftig schneller abschieben. Nachvollziehbar – oder werden Vorurteile mit Vokabeln wie „Asylzustrom“ noch verstärkt?
Trelle: Natürlich ist die Situation auf dem Balkan nicht vergleichbar mit der Lage in Syrien oder im Irak. Das schlägt sich auch in den Anerkennungsquoten bei Asylbewerbern nieder. Dennoch: Asyl ist ein individuelles Menschenrecht. Und ein kleinerer Teil der Asylbewerber vom Balkan wird in Deutschland auch anerkannt. Die immer weitergehende Ausweitung der Liste „sicherer Herkunftsländer“ ist deshalb nicht unproblematisch. Was die Sprache im öffentlichen Raum betrifft, so sollten wir alle derzeit um besonders große Sorgfalt bemüht sein. Rhetorische Dramatisierung kann leicht zu einer Verschärfung der gesellschaftlichen Lage beitragen und lässt sich am Ende oft nicht wieder einfangen.
Frage: Die EU ringt um die Verteilung von 60.000 Flüchtlingen – wenig im Vergleich etwa zum Libanon. Was hält die Kirche von dieser Debatte?
Trelle: Verglichen mit den Lasten, die Länder wie der Libanon oder Jordanien tragen, ist der europäische Anteil an der Bewältigung der Flüchtlingsströme tatsächlich beschämend. In der Debatte über die Verteilung einiger Zehntausend Flüchtlinge geht es letztlich aber wohl eher um die Architektur des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass Asylanträge dort zu bearbeiten sind, wo der Flüchtling erstmals den Boden der EU betreten hat. Hier müssen in der Tat bessere und gerechtere Lösungen gefunden werden. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass manche Staaten ein sehr eng gefasstes Selbstinteresse verfolgen und damit die europäische Integration beschädigen. Ohne Solidarität aber können weder Europa noch der Flüchtlingsschutz funktionieren.
Von Paula Konersmann (KNA)
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