„Lieber einen gemäßigten Diktator als diese Korruption“
Was bei den Präsidentschaftswahlen 2007 und 2011 noch undenkbar war, scheint diesmal ein realistisches Szenario: Ex-Diktator Muhammadu Buhari (72), Muslim und Herausforderer aus dem Norden, hat Chancen, nach 30 Jahren auf demokratischem Wege an die Macht zurückzukehren. „Lieber einen gemäßigten Diktator als diese Korruption und einen demokratischen Nichtstuer, das sagen die Leute. Und zwar überall im Land“, berichtet Zainab Mohammed.
Die Journalistin kommt gerade aus Nigeria; sie war in Yola, ihrer Heimatstadt im östlichen Bundesstaat Adamawa, in der Wirtschaftsmetropole Lagos und der Hauptstadt Abuja. „Dort läuft das Leben weitgehend so, als ob gar nichts wäre.“ Hinter den Türen der Parteizentrale der regierenden PNP freilich dürfte es rauchen. Sechs Wochen Schonfrist also für Präsident Jonathan? Da schimpft Zainab Mohammed: „Sechs Jahre lang hat er nichts erreicht. Was kann er dann in sechs Wochen erreichen? Sechs Wochen – das ist in Nigeria wie sechs Stunden.“ Die Armee hat eine Offensive gegen Boko Haram angekündigt – und damit keine Zeit, den Urnengang im Rest des Landes abzusichern.
Warum es aber einer Truppe von politisch so desorientierten Terroristen gelingt, gegen eine – zumindest auf dem Papier – hochgerüstete Armee in Nigeria und den Nachbarstaaten Tschad, Kamerun und Niger einen Gebietsgewinn nach dem anderen zu erzielen, kann auch Thomas Mösch, Nigeria-Kenner und Leiter der Hausa-Redaktion bei der Deutschen Welle, nicht beantworten. Wem nutzt Boko Haram mutmaßlich mehr: Präsident Jonathan mit seinem Amtsbonus und seiner Herkunft aus dem christlichen Süden – oder Herausforderer Buhari und seinem Image als „harter Hund“ und Mann aus dem Norden, der das Terrain und seine Menschen kennt?
Religiöse Autoritäten schweigen
Interessant, so Mösch, sei das Schweigen der religiösen Autoritäten. Hätten sich bislang die katholischen Bischöfe und selbst die muslimischen Emire des Nordens meist zugunsten des Amtsinhabers ausgesprochen, herrscht derzeit Funkstille. Ein beredtes Schweigen, das für Jonathan nichts Gutes verheißen kann, meint Mösch – zumal die Geistlichkeit vom Staat bezahlt werde. Buhari hingegen scheint es gelungen zu sein, sein früheres Bild als muslimischer Fundamentalist in der Öffentlichkeit zu drehen. „Ihm scheint es nicht vorrangig um den Islam zu gehen“, sagt die Journalistin Mohammed.
Im multiethnischen Nigeria mit seinen rund 175 Millionen Einwohnern hat Religion eine sehr große Bedeutung. Ob Muslim oder Christ: Man ist fromm, vertraut auf Gott – und im Zweifel hat die religiöse Obrigkeit auch im Politischen einen guten Rat.
Von Alexander Brüggemann (KNA)