In konservativen italienischen Blättern wie „Il Foglio“ wird die von ihm vertretene Denkrichtung gar schon als „Kasperismus“ karikiert. Kasper war es, der bereits im Februar beim Kardinalskonsistorium die entscheidenden Fragen nach dem Verhältnis von Dogma und Barmherzigkeit formulierte, die nun auch bei der Bischofssynode für Debatten sorgten.
Dass Kasper für die Bewahrer der „reinen Lehre“ zur Reizfigur geworden ist, zeigte sich bei der Bischofssynode in einer unschönen Randepisode: Auf die Frage eines konservativen Journalisten nach dem kirchenpolitischen Gewicht der afrikanischen Bischöfe bei der Synode, antwortete Kasper in einem sehr schwäbisch gefassten Englisch: „I cannot say about Africa, and they should not tell us too much what to do.“ (In etwa: „Ich kann nicht über Afrika sprechen, aber sie sollten uns auch nicht zu sehr vorschreiben, was wir zu tun haben.“) Konservative Blogs und Foren versuchten, diese Aussage als rassistisch zu brandmarken und damit Kaspers Glaubwürdigkeit zu erschüttern.
Überraschende Konstellationen
Realer Hintergrund des Streits um Worte war eine überraschende, neue Konstellation, die sich bei der Synode zeigte. Die aufgrund der großen Zahl afrikanischer Bischofskonferenzen überproportional vertretenen Afrikaner vertraten in Rom eine überwiegend starre Haltung. Aus Kulturen kommend, in denen die Kirche den Kampf mit alten Formen der Polygamie noch nicht gewonnen hat und in denen zudem Homosexualität auch strafrechtlich geahndet wird, scheinen diese Bischöfe wenig Verständnis für westeuropäische Lockerungsübungen in Sachen Sexualmoral aufzubringen.
Die dergestalt konservativen Oberhirten aus Afrika standen plötzlich im selben dogmatischen Lager wie Italiener und einige Osteuropäer, aber auch wie die meisten Vertreter der römischen Kurie. Und das, wo doch „die Römer“ von „den Afrikanern“ sonst mitunter wegen ihres Zentralismus und ihrer Machtanmaßung gescholten werden. Hinzu kamen aber auch Nordamerikaner und Australier, die konservativen Widerstand für die einzig sinnvolle Option der katholischen Kirche halten.