So selbstverständlich wie eine Schule
Er weiß aber auch nicht genau, wie man mit dem gegenwärtigen Flüchtlingsansturm, diesem „Wilden Herbst“, umgeht. In Nieheim und demnächst in Bad Driburg hält Kolping 150 bis 200 Plätze vor; Burbach nimmt bis zu 700 Personen auf. Wöstemeyer plädiert für kleine Einrichtungen mit maximal 100 Flüchtlingen, um Streit oder gar Gewalt vorzubeugen. „So wie es in jedem Ort selbstverständlich ist, dass es eine Schule gibt, sollte es auch normal sein, dass eine Flüchtlingsunterkunft vorhanden ist.“ Zudem sollten sich Ehrenamtliche, etwa aus Pfarrgemeinden, mehr engagieren - allerdings nur unter Leitung von erfahrenem Fachpersonal.
Im April 2013 wurde die Unterkunft in Nieheim eröffnet, aber nur für ein Jahr. Sie sollte die zentrale Unterbringung in Bielefeld entlasten. In Nieheim mussten 40 Mitarbeiter eingestellt, der Brandschutz aufgerüstet und Etagenbetten aufgebaut werden. Ein Jahr später wurde die Einrichtung wieder geschlossen – wie geplant. Doch vor sechs Wochen öffnete Kolping das Heim wieder wegen der Vielzahl der Flüchtlinge. Mit ein paar Betten aufstellen war es aber auch diesmal nicht getan. Kolping betreibt eine Küche, zwei Kleiderkammern, eine Wäscherei, eine Kinderspielstube sowie einen Sanitätsraum, der von einer Krankenschwester betreut wird. Und es gibt einen Raum der Stille für alle: In der einen Ecke liegt ein muslimischer Gebetsteppich, in der anderen steht ein christlicher Altar.
Kommunikation ist A und O
„Ein Drittel unserer Bewohner kommt derzeit aus Balkanländern wie Serbien, Kosovo und Albanien“, berichtet Wöstemeyer. „Gerade sind aber auch 15 Menschen aus Syrien hier, viele Afrikaner und sogar Menschen aus Sri Lanka.“ Sie lebten zu viert oder zu sechs in einem Zimmer. Und natürlich werde darauf geachtet, dass Familien nicht getrennt werden.
Auch mit Blick auf einen anderen möglichen Konfliktherd hat Kolping vorgesorgt. Bedenken der Anwohner wurden aus dem Weg geräumt, indem sich der Betreiber bereits vor Eröffnung mit ihnen traf. Wöstemeyer: „Kommunikation ist das A und O bei solchen Projekten.“ Inzwischen habe sich ein Netzwerk gefunden, welches das Heim durch Kleiderspenden oder Kunstprojekte unterstütze. Und als sich Nachbarn einmal über Lärm beklagten, habe sich der Schuldige schnell gefunden: Es waren nicht die Heimbewohner, sondern die Gäste eines 70. Geburtstags nebenan.
Von Samuel Dekempe