Frage: Arbeitet Renovabis mit allen Kirchen zusammen?
Dartmann: Wir haben gegenüber allen fünf Kirchen keine Berührungsängste, aber die Partner sind weitgehend die katholischen Kirchen. Alle Kirchen aber haben sich in den letzten Monaten aufeinander zubewegt, was im Sinne der Ökumene ein ganz großer Schritt ist. Es herrscht die Einsicht, dass dieses Land seine Zukunft selber bestimmen dürfen muss und dabei seine nationale Integrität bewahren sollte. Unter dieser Perspektive setzen sich die Kirchen gemeinsam gegen eine Eskalation der Gewalt ein.
Frage: Sprechen die alle mit einer Stimme?
Dartmann: Erstaunlicherweise ist dies zumindest in der Ukraine selbst in einem Maße der Fall, wie es nicht zu erwarten war. Im Rat der ukrainischen Kirchen, wo alle Mitglieder sind, haben sie sich damals auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, als es auf dem Maidan losging. Natürlich gibt es auch Spannungen, was bei der Krimkrise deutlich wurde. Die orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat muss befürchten, dass sie ihre vielen Anhänger verliert, wenn sie eine Intervention von Russland rechtfertigt. Das hat sie deshalb explizit auch nicht getan. Es ist auffallend, dass man bis in die höchsten Spitzen in Moskau hinein auf eine gewisse Distanz zur Politik der russischen Regierung gegangen ist.
Frage: Welche Entwicklung sehen Sie auf die Ukraine zukommen?
Dartmann: Das ist überhaupt nicht abzusehen und genau das kann einen sehr beunruhigen. Viele Szenarien, darunter auch solche mit schlimmen Konsequenzen sind nun plötzlich realistisch geworden.
Frage: Was heißt das für Renovabis?
Dartmann: Es wäre falsch, hier business als usual zu signalisieren. Wir verfolgen die Entwicklung sehr genau im täglichen Kontakt mit unseren Partnern. Gerade das aber bestätigt uns darin, nicht in Panik zu geraten. Unsere Projekte sind nicht gefährdet. Ziel ist es, die Stimme der Vernunft und der Besonnenheit zu stärken. Die Kirchen in Ost und West haben hier eine weit wichtigere Rolle, als wir das noch vor einigen Jahren voraussehen konnten.
Frage: Der Umbruch in Polen war damals eng mit der katholischen Kirche und einem polnischen Papst verbunden. In der Ukraine stellt sich dies anders dar, oder?
Dartmann: Mich bewegt es zu sehen, dass es in den letzten 25 Jahren in der Ukraine deutlich zu einem neuen religiösen Erwachen und zu einer kirchlichen Blüte gekommen ist. Der Maidan hat Kennern zufolge eine qualitativ neue Situation des Dialogs und der Nationwerdung bedeutet. Es geht hier um Werte, für die die Menschen gestorben sind, nicht wenige von ihnen mit der europäischen Flagge in der Hand. Das war weit mehr als nur eine wirtschaftliche Option.
Frage: Hat damit Ihre Pfingstaktion „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ eine neue Bedeutung bekommen?
Dartmann: Nun, stellen wir doch einmal fest: Es ist eben nicht so, wie das viele Zeitgenossen meinen, dass es seit 1989 eine kontinuierliche demokratische Entwicklung gegeben hat. Hier ist noch viel zu tun, viele Mauern sind zu überspringen oder abzureißen. Diese Mauern existieren übrigens auch in unseren Köpfen, so dass wir die Situation nicht richtig wahrnehmen und deswegen nicht die entsprechenden Schritte tun.
Von Barbara Just