Und heute? Aragaw lacht aus vollem Hals: „Was ist das für eine Frage?“ Mit Wohlwollen blickt er auf seine üppigen Bananenstauden, die vollen Avocadobäume. Ja, es brauchte Überzeugungskraft, damit er sich auf neue Produkte und Anbaumethoden einließ. Aber dann war er begeistert. Die Frauen des Dorfes erhielten Kochunterricht für die neuen Gemüsesorten. Noch heute muss er über die Verwunderung schmunzeln, mit der sie gemeinsam die ersten Karotten ihres Lebens kauten – irgendwie erinnerte es sie an Hühnerfleisch.
Heute kommen Bauern von weither, um von Aragaw zu lernen. Fünf seiner sechs Kinder konnte er zur Schule schicken. Die Familie hat ein Dach aus Wellblech statt wie früher aus Stroh über dem Kopf und schläft in richtigen Betten. Seine Frau verkauft die Produkte und legt Geld zur Seite. Der Plan für seine Zukunft? Von seinen Ersparnissen will er sich ein Haus in der Stadt kaufen und von dort seine Ernte vermarkten, während ein Sohn sich um den Hof kümmert.
„Wir werden expandieren“
Ein paar der Kaffeebohnen, die an Bauer Aragaws Sträuchern wachsen, könnten es ins Cafe Rohobot im nahe gelegenen Städtchen Majete geschafft haben: Hier betreiben drei junge Frauen ein kleines Restaurant. Kaffee, in der typischen äthiopischen Zeremonie vom Rösten der Bohnen bis zum Brauen des Kaffeesuds zubereitet, darf natürlich nicht fehlen. Die paar Tische vor dem Restaurant-Container sind mit Kunden besetzt, die in ihrem Appetit beherzt zulangen.
Rohobot bedeute soviel wie „Wir werden expandieren“, erklärt Betreiberin Tsehay Tesfaye, 30 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Mit einem Mikrokredit der Lokalregierung von umgerechnet etwa 180 Euro eröffneten sie und zwei Schulfreundinnen ihren eigenen Betrieb in einem Land, in dem nicht einmal jede fünfte Frau lesen und schreiben kann, dafür aber jede im Durchschnitt fünf Kinder zur Welt bringt. Für ein zweites Restaurant in der Stadt legen die jungen Unternehmerinnen jeden Monat zwischen 33 und 55 Euro beiseite und hegen überdies Pläne vom eigenen Haus. Tsehay Tesfayes arbeitsloser Ehemann hilft beim Bedienen aus: Er hat verstanden, dass der Erfolg seiner Frau auch ihm zugutekommt.
Von Anja Bengelstorff