Keine Angst vorm starken Mann
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Keine Angst vorm starken Mann

Die Wahl des Münchner Kardinals Reinhard Marx (60) an die Spitze der Deutschen Bischofskonferenz lag nahe. Der Mann führt ein großes Erzbistum, ist ein mediengewandter politischer Kopf, international erfahren und hat durch die Berufung in den Kardinalsrat einen kurzen Draht zu Papst Franziskus. Dennoch galt seine Kür alles andere als ausgemacht.

Erstellt: 12.03.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Wahl des Münchner Kardinals Reinhard Marx (60) an die Spitze der Deutschen Bischofskonferenz lag nahe. Der Mann führt ein großes Erzbistum, ist ein mediengewandter politischer Kopf, international erfahren und hat durch die Berufung in den Kardinalsrat einen kurzen Draht zu Papst Franziskus. Dennoch galt seine Kür alles andere als ausgemacht.

Ein Vorbehalt lautete: Was soll Marx denn noch alles schultern? Ist das nicht zu viel Verantwortung für einen? Erst am vergangenen Samstag hatte ihn der Papst auch noch zum Koordinator des neuen vatikanischen Wirtschaftsrates ernannt. Andere bemerkten hinter vorgehaltener Hand, dass der Kardinal mit dem klangvollen Namen bislang weder als Theologe noch als Seelsorger besondere Verdienste aufzuweisen habe.

Die Träger solcher Bedenken haben sich nicht durchgesetzt. Und so ist die Entscheidung für den gebürtigen Westfalen zunächst eine für den kraftvollen, außenwirksamen Auftritt. Sein Talent zur Moderation eines durchaus heterogenen Gremiums von Mitbrüdern, die auf ihre jeweilige Eigenständigkeit großen Wert legen, wird er erst noch unter Beweis stellen müssen.

Sozial- und Wirtschaftsexperte

Der Konferenzvorsitz bindet Kräfte, die dem 60-Jährigen für seine vielen anderen Funktionen fehlen werden. Dessen ist sich Marx wohl bewusst. Daher wird es die erste spannende Frage sein, welche seiner Zusatzaufgaben er abgibt. Zum Beispiel ist er auch noch Präsident der EU-Bischofskommission COMECE in Brüssel und Großkanzler der einzigen katholischen Universität Deutschlands in Eichstätt-Ingolstadt.

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Der stämmige Kardinal und Freund gepflegter Zigarren war bisher der Sozial- und Wirtschaftsexperte der deutschen Bischöfe. Seine Fähigkeit, auf den Punkt zu formulieren, macht ihn zum gefragten Gesprächspartner auf unterschiedlichsten Bühnen, sei es beim Weltwirtschaftsforum in Davos oder an der Universität Oxford. Wenn er wollte, könnte er jede Woche in einer anderen Talkshow auftreten. Sein letztes Interview vor der Vollversammlung der Bischöfe in Münster gab er der linksalternativen Berliner „taz“. In dem Gespräch rechtfertigte er die Kapitalismuskritik von Papst Franziskus.

Marx ist von seinem Naturell her einer, der optimistisch nach vorne schaut. Die Wahl des Nachfolgers von Papst Benedikt XVI., an der er mitwirken durfte, hat ihn zusätzlich beflügelt. Aufbruchsstimmung ist für ihn jetzt angesagt. Dass es mit der Kirche beständig abwärts gehe, mag er nicht unterschreiben.

Große Aufgaben

Vor welchen Aufgaben er die deutschen Bischöfe sieht, hat der Kardinal in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) unlängst ausgeführt: Sie müssten sich Gedanken machen über ihr gemeinsames Engagement auf nationaler Ebene. „Gerade in der Öffentlichkeit, in den Medien, aber auch in Kultur und Wissenschaft ist es wichtig, dass wir bundesweit präsent sind und qualitativ hochstehend, konzentriert, aber auch flexibel und reaktionsschnell auftreten können.“

Was passiert, wenn die Entscheidungswege zu lang sind und die Zuständigkeit an zu viele Gremien delegiert ist, mussten die katholische Kirche und vor allem Marx selbst mit dem Weltbild-Desaster erfahren. In die Insolvenz geriet der Medienkonzern nicht nur durch Managementfehler, sondern auch durch fehlende Entschlossenheit der Eigentümer. Diese Lektion ist teuer: Sie kostet die Bistümer einen dreistelligen Millionenbetrag und bescherte der Kirche viele Negativschlagzeilen.

Innerkirchlich wird Marx bisweilen zu den Reformern gezählt. Dies mag vor allem an seinem kompromisslosen Eintreten für den Kinderschutz und seinem offensiven Drängen auf eine Lösung für die wiederverheiratet geschiedenen Katholiken liegen, die sich durch ihren Ausschluss von den Sakramenten als deklassiert empfinden. In dieser Frage hat sich der Münchner Erzbischof auch schon mit dem Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation öffentlich angelegt.

Welcher Lösung dieses Problem zutreibt, ist noch nicht absehbar. Denn auch Gerhard Ludwig Müller ist inzwischen Kardinal und erfreut sich päpstlicher Gunst.

Von Christoph Renzikowski

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