Frage: Wie sieht der Schwerpunkt Ihrer Arbeit im Tschad aus?
Vu: Wir sind nur sieben Steyler Missionare vor Ort. Wir arbeiten in und für die Diözese von Goré, allerdings immer mit dem Hintergrund der Spiritualität der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“. Wir kümmern uns um zwei Kirchengemeinden, Laramanaye und Boro, jeweils mit ihren Außenstationen. Ich arbeite in der Kirchengemeinde Boro, die 2010 gegründet worden ist und „Paroisse St. Francois d’Assise“ heißt. Zu ihr gehören 61 Dörfer und etwa 12.000 Gläubige. In den Ostertagen haben wir voraussichtlich 600 Taufkandidaten.
Frage: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit?
Vu: Eine große Herausforderung ist der Aberglaube der Menschen. Er ist in ihrer Kultur fest verankert. Die Menschen glauben an Gott, aber auch an Geister und Zaubereien. Andere Herausforderungen sind die Polygamie, Kindersterblichkeit und das Alkoholproblem. Die Armut ist ein großes Thema im Tschad. Auch körperliche und geistige Behinderungen sind weit verbreitet. Viele Menschen sind Analphabeten.
Frage: Was tun Sie, um die Situation zu verbessern?
Vu: Wir versuchen, Kindern eine solide Ausbildung zu vermitteln. Wir arbeiten mit Schulen zusammen, aber auch mit dem Zentrum für Menschen mit Behinderung in Moundou. Wir bringen Menschen zu ärztlichen Untersuchungen – und wenn sie Probleme mit der Finanzierung haben, versuchen wir zu helfen und sie zu unterstützen, wo wir können.
Frage: Ende 2012 machte die Ausweisung des Bischofs von Doba wegen einer regimekritischen Predigt Schlagzeilen. Lebt es sich gefährlich im Tschad, wenn man seine Stimme gegenüber dem Staat erhebt?
Vu: Ja, der Staat duldet keine Gegenstimmen. Aber das Problem bei dieser Ausweisung von Bischof Michel Russo war ein Übersetzungsfehler seiner Predigt. Er wurde letztlich wegen eines Missverständnisses ausgewiesen. Aber Gott sei Dank: Inzwischen ist er wieder zurück im Tschad.
Frage: Ganz persönlich: Wie arbeitet es sich als Vietnamese im Tschad. Fühlen Sie sich akzeptiert? Wo liegen die Schwierigkeiten und Chancen Ihres Wirkens als Missionar?
Vu: Alle hier denken immer, dass ich Chinese bin, weil hier viele Chinesen leben. Meistens arbeiten sie als Bauarbeiter. Ich fühle mich von den Leuten als „Exot“ akzeptiert. Eine Schwierigkeit meines Wirkens als Missionar liegt in den kulturellen und sprachlichen Differenzen, die sich hier im Tschad auftun. Aber die Chancen meines Wirkens als Missionar sind gut, weil viele Menschen in ihrer Armut nach etwas Heiligem suchen, nach etwas, das ihnen Sinn und Sicherheit für ihr Leben gibt. Und da haben wir den lebendigen, liebenden und solidarischen Gott anzubieten.
Das Interview führte Markus Frädrich.