Wie wird in Mexiko auf Lebensfragen und das Leid der Menschen eingegangen?
Der Kern des heutigen Tages bestand somit aus einer „Standortanalyse“. Neben der Beschreibung spiritueller Entwicklungen und der Einflüsse pentekostaler Bewegungen, stand die Situationsbeschreibung der indigenen Bevölkerung im Mittelpunkt. Und hierbei ließ sich für mich eine Kontinuität zu anderen, in den letzten Wochen in Mexiko-Stadt stattfindenden Veranstaltungen zum Thema „Pastoral Indígena“ erkennen: Verstärkt rückt die Bedeutung verschiedenster Lebens- und Lebensraumumbrüche und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen ins Blickfeld. Die indigene (Stadt-)Bevölkerung, die aus den ländlichen Regionen in die Städte zieht oder hier schon seit Jahren lebt – und insbesondere deren Jugend –, erfahren einen Lebenswandel. Das vertraute Umfeld, Kultur, Tradition, Freunde und Familie fehlen plötzlich. Identitätsfragen treten auf. Es entwickeln sich Chancen eines Identitätswandels, aber ebenso sind Abgründe wie Vereinsamung, Verarmung oder Identitätsverlust zu erkennen. Gewalt und Drogen werden zu Problemen. Welche Form von Pastoral kann hier helfen? Wo und wie kann die christliche Botschaft die Menschen in ihrer Lebenssituation konkret unterstützen? Das sind Fragen, die sicherlich nicht ausschließlich die indigene Bevölkerung betreffen, sondern eine ganze Stadtbevölkerung, eine jede Gesellschaftsschicht, jede Generation.
Was können wir in Deutschland davon lernen?
Zunächst ist festzuhalten, dass sich auch unserer Bevölkerung und dessen Generationen Identitätsfragen aufdrängen, ebenso wie „denen dort drüben“ in Lateinamerika, wenngleich unter völlig anderen gesellschaftlichen Vorzeichen. Ein anderer Aspekt kommt mir beim Thema „Kirchenfusionen“ in den Sinn. Kann von mexikanischen Pfarreien gelernt werden, wie sich eine „Megagemeinde“ strukturell organisieren lässt? Können mexikanische Pastoralkonzepte in deutschen Bistümern zur Anwendung kommen? Wie wird in Mexiko auf Lebensfragen und das Leid der Menschen eingegangen? Mindestens bis zum morgigen Tag und dem Einsteigen in weitere spannende Themenfelder begleiten mich diese Fragen in einen milden mexikanischen Winterabend.
Von Johannes Hohmann