
Radelnder Weltkirche-Referent will Mount Everest in der Pfalz bezwingen – zehn Mal
Kallstadt ‐ Moment mal: Mount Everest, Pfalz, Radfahren – klingt ein wenig wild, oder? Aber Ausdauersportler Christoph Fuhrbach und das Hilfswerk Misereor rücken alles wieder ins Lot. Triggerwarnung: Auch Donald Trump kommt vor.
Aktualisiert: 12.06.2025
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Hinter Kallstadt geht es direkt hoch. 11 Prozent Steigung zeigt das Schild am Rand der Straße, die in die Hänge des Pfälzer Waldes führt. „Keine Sorge, das bleibt nicht so“, beruhigt Christoph Fuhrbach und schwingt sich auf sein Rennrad. Der 54-jährige Ausdauersportler muss es wissen. Geboren in Frankenthal, zuhause in Neustadt an der Weinstraße, ist die Gegend hier sein Revier.
Die rund 4,6 Kilometer lange Piste vom Winzerort hinauf zum Forsthaus Lindemannsruhe auf exakt 465 Meter hat er schon als Teenager regelmäßig befahren, wie er sagt. „Ein Berg meiner Jugend.“ Die etwa 320 Höhenmeter kurbelt er ohne sichtbare Anstrengung herauf, als befände er sich im flachen Land. „Bin ich zu schnell?“
Geht so – aber trotzdem müssen wir an dieser Stelle anhalten. Und ein wenig ausholen. Vorher schweift der Blick über Weinberge, Kallstadt und die Rheinebene. In der Ferne ist der Odenwald zu erkennen. Ganz in der Nähe steht ein Schild mit der Aufschrift: „Zwischen Wein und Reben kann man ganz gut leben.“ Kallstadt und Nachbarorte wie Freisheim verströmen ein fast schon französisches Flair. „Frankreich ist schließlich nicht weit weg“, weiß Fuhrbach.
Für all das wird er zwischen dem 21. und 29. Juni mutmaßlich keinen Blick haben. Dann will der Sportler einen Weltrekord im sogenannten Everesting aufstellen. Maßeinheit dabei ist der mit 8.848 Metern höchste Berg der Erde im Himalaya. Fuhrbach will auf der Strecke zwischen Kallstadt und dem Forsthaus Lindemannsruhe nicht nur einen, sondern den zehnfachen Everest in Höhenmetern meistern.
Dafür muss er die Asphaltrampe 277 mal hinaufstrampeln und wieder hinuntersausen – in weniger als 7 Tagen, 19 Stunden, 39 Minuten und 46 Sekunden. Das ist die aktuelle Bestmarke, gehalten von dem Niederländer Arend Van Den Broucke. Auf 30 bis 35 Prozent schätzt Fuhrbach seine Chancen ein, den Rekord zu knacken. „Auf jeden Fall ist das die krasseste Aktion, die ich jemals gemacht habe.“
Und gemacht hat Christoph Fuhrbach, seit 2004 Weltkirchenreferent im Bistum Speyer, schon so einiges. Einmal um die Welt mit dem Rad, Mitglied der deutschen Berglauf-Nationalmannschaft und Deutscher Meister mit dem Team des TV Hatzenbühl, erster Platz bei der internationalen Dolomiten-Radrundfahrt für Amateure, Teilnehmer am Transcontinental Race von Belgien nach Griechenland, Weltrekordhalter für 21.086 erradelte Höhenmeter an einem Tag...
Warum tut sich einer so etwas an? „Mich hat es schon immer gereizt, meine eigenen Grenzen auszuloten“, antwortet der Diplom-Theologe. Die Jagd nach immer neuen Rekorden interessiere ihn dabei weniger. „Das Leistungsprinzip ist eigentlich der Grund für viele Probleme, die wir auf der Welt haben“, fügt er hinzu. Die Aufmerksamkeit für seine Bestleistungen will er vielmehr als Vehikel nutzen, um auf ebendiese Probleme hinzuweisen – und um Mut zu machen für die Suche nach Lösungen.
Macht Trump ihm einen Strich durch die Rechnung?
Spätestens an dieser Stelle steigt Misereor ins Rennen ein. Denn Fuhrbach startet seinen Rekordversuch im Rahmen des zehntägigen Festivals „Voll das Leben“, ausgerichtet von dem kirchlichen Hilfswerk und Fuhrbachs Heimatbistum Speyer. Misereor und Fuhrbach eint dieselbe Mission: das Engagement für eine gerechtere Welt. Dauerkonsum, Flugreisen ohne Ende, Wohnen in immer größeren Häusern: In den reichen Ländern, findet Fuhrbach, ist in den vergangenen Jahrzehnten etwas aus dem Ruder gelaufen. Viele Menschen leben über ihre Verhältnisse und die ihrer Umwelt.
Zugleich will er nicht als Miesepeter dastehen. Seine Botschaft: „In einem einfacheren Leben kann viel Freude stecken.“ Die Begegnung mit anderen Menschen oder der Natur falle oft bereichernder aus, als die nächste Paketlieferung von Amazon. Dafür brauche es keine extremen Radrennen oder Marathonläufe. Nur die Bereitschaft, die eigenen Gewohnheiten hier und da zu hinterfragen.
Für sich selbst hat Fuhrbach ein paar Entscheidungen getroffen. Ein Auto besitzt der Familienvater nicht. Er lebt vegan – ohne verbissen zu sein. So will er bei seinem Weltrekordversuch nicht ausschließen, sich auch mal „ein fettes Stück Käse“ zu gönnen. Irgendwie muss der Kalorienverlust schließlich ausgeglichen werden. In Kallstadt ist jedenfalls alles angerichtet. Nur einer könnte Fuhrbach und Misereor jetzt noch einen Strich durch die Rechnung machen: Donald Trump.
Unlängst erst hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den US-Präsidenten in die Pfalz eingeladen. Trumps Großvater Frederick und seine Großmutter Elisabeth Christ stammen aus Kallstadt. Beider Häuser liegen in der gleichen Straße. Manchen Kallstädtern graust schon jetzt vor einer Visite des Präsidenten. Trump sei hier nicht sonderlich beliebt, sagt eine Anwohnerin und fügt mit einer gehörigen Portion Sarkasmus hinzu: Hätte Frederick Trump doch besser die Titanic genommen! Der Unglücksdampfer stach allerdings erst 1912 zu seiner ersten und letzten Fahrt in See. Die Trumps hatten sich einige Jahre zuvor endgültig in den USA niedergelassen.
Am 24. und 25. Juni findet in den Niederlanden der Nato-Gipfel statt. „Sollte Trump unmittelbar davor oder danach tatsächlich in die Pfalz kommen, war's das mit dem Festival und dem Weltrekordversuch“, sagt Christoph Fuhrbach. Es macht aber nicht den Anschein, als beschäftige ihn das über die Maßen. Eher treibt ihn die Frage um, was Trump und andere Politiker im Kampf gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz und eine gerechtere Wirtschaft tun – oder eben nicht.
Er habe den Eindruck, dass sich die Dinge gerade eher rückwärts entwickeln, sagt der Weltkirchenreferent. „Da kriege ich manchmal die Krise: Sind wir Menschen wirklich so blöd?“ Oben am Forsthaus Lindemannsruhe angekommen, steht dann aber etwas, das wieder Mut macht: eine öffentlich zugängliche Radservice-Station mit Pumpe und den wichtigsten Werkzeugen. „Funktioniert sogar“, stellt er fest. Die Stele mit Logo des Autoclubs ADAC zeige, dass ein Umdenken bei der Mobilität einsetze: weniger PKW, mehr Rad.
Fuhrbach zieht jetzt den Reißverschluss seiner Windjacke zu. Mit gefühlt 70 Stundenkilometern stürzt er als immer kleiner werdender neongelber Punkt Richtung Rheinebene. Ein paar Mal will er die Strecke heute noch fahren. Bei seinem Weltrekordversuch Ende Juni können ihn interessierte Radler zumindest einen Teil des Wegs begleiten. Beinahe wäre auch ein alter Bekannter Fuhrbachs mit von der Partie gewesen: Udo Bölts, ein anderer Pfälzer Gigant des Radsports. Doch der muss leider passen. Sein Anfeuerungsruf für den späteren Tour de France Sieger von 1997, Jan Ullrich, könnte aber auch als Motto über Fuhrbachs Wahnsinnsritt stehen: „Quäl dich, du Sau!“