Organisationen fühlen sich von der Post „ausgebremst“

Handy-Recycling: Missio und Nabu suchen neue Sammelmöglichkeiten

Bonn ‐ Weil DHL aus Sicherheitsgründen keine lose gesammelten Handys mehr transportiert, müssen Organisationen neue Konzepte entwickeln. In deutschen Haushalten verstauben derweil rund 200 Millionen Alt-Handys.

Erstellt: 03.03.2024
Aktualisiert: 01.03.2024
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Von Hannah Schmitz (KNA)

Der Nabu sammelt seit 2006 Handys „für Hummel, Biene und Co.“. Doch aktuell prangt auf der Website der Naturschutzorganisation der Hinweis, dass die Aktion pausiere. Man arbeite mit dem Partner Telefonica an einer Neukonzeption. Auch das katholische Hilfswerk Missio muss seine Smartphone-Spenden im Rahmen der „Aktion Schutzengel“ neu organisieren. Der Grund: Das Paketunternehmen DHL achtet seit dem vergangenen Jahr offenbar verstärkt auf die Einhaltung strenger Versandbedingungen für Lithiumbatterien.

Dadurch sei die Sammelaktion „ausgebremst“ worden, heißt es vom Nabu; bei Missio zeigt man sich „frustriert“. Schließlich lagern Schätzungen zufolge mehr als 200 Millionen Altgeräte in deutschen Schubladen. Und in jedem einzelnen Handy ist „das halbe Periodensystem“ enthalten, erklärt Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Gemeint sind Rohstoffe wie Platin, Lithium oder Kobalt. Sie trügen einen „gigantischen ökologischen Rucksack“ – weshalb ihr Recycling umso notwendiger sei.

Wie Missio-Pressesprecher Jörg Nowak erklärt, konzentriert sich das Hilfswerk künftig auf Großveranstaltungen als Sammelorte. Den Auftakt macht Missio in diesem Jahr beim Katholikentag in Erfurt. Auf einem solchen Großtreffen fing die Spendenaktion auch einst an: 2016 warf Sängerin Patricia Kelly das erste Altgerät in eine Spendenbox. Seitdem wurden laut Nowak insgesamt rund 500.000 ausrangierte Handys gesammelt und einem Recycling-Partner zugeführt. Pro Handy rechnet Missio mit rund 50 Cent Erlös, die beispielsweise Projekten in Ghana und Kongo zugutekommen.

Nowak hofft, dass beim diesjährigen Katholikentag eine vierstellige Zahl von Smartphones zusammenkommt. Eine Spedition werde die Geräte dann als Sondertransport abholen. Darüber hinaus will Missio in Zukunft größere regionale Sammel-Standorte aufbauen. „Für den Transport der gesammelten Handys probieren wir mit unseren Partnern Deutsche Telekom und Foxway feuerfeste Boxen aus“, so Nowak. Über die Sammelaktion will Missio mit Menschen ins Gespräch darüber kommen, was Smartphones etwa mit dem Krieg im Kongo oder der riesigen Elektroschrott-Müllkippe in Ghana zu tun haben, mit Vergewaltigungen und Vergiftungen.

„Menschen tun sich schwer damit, ihr liebstes Elektronikgerät abzugeben. Wenn sie mit uns in Kontakt kommen, vertrauen sie uns, dass die Daten auch mit hundertprozentiger Sicherheit gelöscht werden“, sagt Nowak. „Es ist eine Bereitschaft da, gerade wenn wir die Zusammenhänge klar machen und auf globale Probleme hinweisen.“

Abholprozess ist teuer

Beim Nabu gibt es noch keine Informationen dazu, wie die Sammlung von Handys fortgeführt werden soll. Bis zum Sommer 2023 hatten die Umweltschützer in Kooperation zunächst mit Vodafone, später mit E-Plus und dann Telefonica knapp 970.000 Handys gesammelt. Dadurch wurden beispielsweise mehrere Kilo Gold, Silber und Kupfer zur Wiederverwertung recycelt. Der Nabu nennt zudem einen von den Telekommunikationsunternehmen gespendeten Erlös von 1,4 Millionen Euro, der in verschiedene Umweltprojekte investiert worden sei.

Bis Ende 2023 hatte der Nabu gemeinsam mit Telefonica noch einen „aufwendigen und kostenintensiven“ Abholprozess auf die Beine gestellt, um „erst einmal die vielen gestrandeten Handys des vergangenen Sommers einzusammeln“, erklärt Nabu-Projektmanagerin Sabine Lemke. Durch die nötig gewordenen Einzelverpackungen sei jedoch sehr viel Plastikmüll verursacht worden.

Bild: © KNA

Eine Sprecherin der DHL-Gruppe sagte auf Nachfrage, an den Vorgaben für den Versand von Lithium-Batterien habe sich nichts geändert. Das Unternehmen müsse den Versand gesammelter gebrauchter Mobiltelefone mit eingebauten Lithium-Ionen-Batterien aus Sicherheitsgründen ausschließen, wenn dieser nicht einer bestimmten Sondervorschrift zum Transport gefährlicher Güter auf der Straße genüge. Sonst drohten ein Brand oder der Austritt giftiger Gase. Diese Vorschrift sieht unter anderem vor, dass Batterien nicht defekt oder beschädigt sein dürfen.

Nach Angaben des Recycling-Experten Wilts liegt die Sammelquote von Alt-Handys in Deutschland bei nur 5 Prozent. Recycelt werde aber längst nicht jeder Rohstoff. „Tantal und Lithium werden nicht zurückgenommen, weil sie nur in homöopathischen Mengen verbaut sind und es zu schwierig ist, sie herauszunehmen“, erklärt der Professor. Es fehlten einerseits technische Verfahren, um jedes Metall zu recyceln, und andererseits ökonomische Anreize. „Die Primär-Rohstoffpreise sind so niedrig, dass sich kein Unternehmen eine teure Recyclinganlage baut.“

Manche Hersteller ziehen nach

Er fordert deshalb feste Sammelquotenvorgaben für Hersteller von Smartphones. Alternativ wäre auch die Einführung eines Pfands beim Kauf von Handys eine Möglichkeit, um den Anreiz zur Rückgabe zu erhöhen. „Wir haben bei Flaschen eine Sammelquote von 97 Prozent. Warum soll das nicht auch bei Handys funktionieren?“, fragt der Wissenschaftler.

Das Bundesumweltministerium hält das auf Nachfrage allerdings für „keine praktikable Lösung“. „Für eine Pfandlösung müsste ein komplexes Clearingsystem eingerichtet werden“, erklärt ein Sprecher der Behörde. Ein Pfandsystem müsse sich zudem in die etablierten Sammelstrukturen integrieren - und grundsätzlich sei fraglich, ob ein Pfand einen maßgeblichen Beitrag zur Steigerung der Sammelmenge leisten könne.

Das Umweltministerium will demnach vor allem die Verbraucher in den Blick nehmen, um an die 200 Millionen Alt-Handys und künftige Altgeräte zu kommen. Sie sollen etwa durch eine einheitliche Sammelstellenkennzeichnung - insbesondere im Einzelhandel - in Zukunft besser erkennen können, wo sie Smartphones und Co. zurückgeben können. Seit 2022 gilt für den Handel eine sogenannte Rücknahmepflicht für alte Elektrogeräte. Die Deutsche Umwelthilfe bemängelte im vergangenen Herbst allerdings, dass bei einem stichprobenartigen Test in 38 Filialen von Super- und Drogeriemärkten die Hälfte keinen Elektroschrott angenommen habe.

Smartphones-Hersteller gehen derweil dazu über, selbst Altgeräte zurückzunehmen. Der zweitgrößte Smartphone-Produzent Samsung bietet eigenen Angaben zufolge etwa eine Prämie in Höhe von bis zu 600 Euro für Altgeräte beim Kauf eines neues Smartphones. Wilts sieht das weniger als Recycling- denn als Kundenbindungsprogramm. Missio-Sprecher Nowak sieht darin dennoch keine Konkurrenz. Im Gegenteil: „Es muss das gemeinsame Ziel sein, Handys zu sammeln. Wir müssen den Berg der 200 Millionen Altgeräte abbauen, das ist ein unheimlicher Kraftakt.“

Die Hersteller haben inzwischen zudem selbstgesteckte Recycling-Ziele. So will Samsung aus Südkorea bis 2030 etwa erreichen, dass in jedem Modul wie Kamera, Lautsprecher oder Akku mindestens ein recyceltes Material vorhanden ist. Beim weltweit größten Hersteller Apple soll die gesamte Wertschöpfungskette der Produkte bis 2030 CO2-neutral sein. Recyclingvorgaben nennt der US-Gigant konkret etwa für die seltene Erde Kobalt: Ab spätestens 2025 solle in Batterien nur noch recyceltes Kobalt verwendet werden. Laut Wilts steht besonders Apple unter enormem öffentlichen Druck, sich für Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen einzusetzen.