Europäische Missions- und Kolonialgeschichte wirke bis heute

Theologe kritisiert eurozentrischen Blick auf Weltkirche

Wien ‐ Fragen von sexueller Vielfalt und Machtkontrolle treiben aus Sicht des Tübinger Theologen Michael Schüßler auch die Kirchen im globalen Süden um.

Erstellt: 20.04.2023
Aktualisiert: 25.04.2023
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„Das Engagement für Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und kirchliche Machtkontrolle als eurozentrisches Luxusproblem zu bezeichnen, ist nicht nur falsch, sondern geradezu zynisch,“ schreibt er in einem Beitrag für das österreichische Portal feinschwarz.net (Mittwoch). Es sei vor allem den christlichen Kolonialmächten geschuldet, dass Homosexualität in Afrika geächtet und kriminalisiert werde.

Europa müsse wahrnehmen, wie sich die eigene Missions- und Kolonialgeschichte bis heute auf die Kirchen des Südens auswirke, fordert der Theologe: „Wer diese Verflochtenheiten nicht wahrnimmt, übersieht zugleich die vielen lokalen Erfahrungen und Initiativen in den Kirchen des Südens, die sich auf je lokale Weise für Minderheitenrechte einsetzen, auch für sexuelle und geschlechterbezogene Vielfalt.“

Frühe christliche Missionare hätten Afrika vor allem mit primitiven Kulten und Aberglauben in Verbindung gebracht. Heute gelte der Kontinent entweder „als Hort eines religiös-fundamentalistischen Backlashs oder umgekehrt als Gelobtes Land echter katholischer Frömmigkeit“. So müsse er nun dafür herhalten, Europa „von seiner moralischen Verkommenheit“ zu heilen.

Der Theologe kritisiert zudem, dass der Blick auf Kirchen in Afrika weitgehend von Priestern und Ordensleuten bestimmt ist. „Es handelt sich um eine im letzten von co-klerikalen Machtstrukturen verzerrte, strukturell männlich geprägte Perspektive.“ Die Vielfalt gelebten Glaubens vor Ort bleibe oft unsichtbar.

KNA

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Mit Afrika nicht zu machen? Wer ist das eigentlich: die Weltkirche? Michael Schüßler dekonstruiert das koloniale wie klerikale Erbe global-kirchlicher Gegenwart.