Eine Demonstrantin trägt ein Kreuz und ein Schild mit der Aufschrift "Laudato Si" am 13. Januar 2023 an der Abbruchkante im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath.
Proteste gegen Braunkohletagebau

Demo gegen Räumung von Lützerath – Auch viele Christen dabei

Erkelenz ‐ „Kirche(n) im Dorf lassen“ und „Christians for Future“ – nicht nur diese christlichen Initiativen haben sich an den Demos gegen die Räumung von Lützerath beteiligt. Auch Theologinnen und Theologen meldeten sich zu Wort.

Erstellt: 16.01.2023
Aktualisiert: 17.01.2023
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Am Braunkohletagebau Garzweiler haben am Wochenende Tausende Menschen gegen die Räumung und den Abriss des Dorfes Lützerath protestiert. Neben prominenten Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer waren auch zahlreiche Christinnen und Christen dabei. Nach Angaben der Polizei haben rund 15.000 Menschen demonstriert, nach Schätzungen der Veranstalter mindestens 35 000. Am Rande gab es auf beiden Seiten Verletzte. Polizei und Demonstrierende warfen sich gegenseitig gewaltsame Übergriffe vor.

„Ich selber bin mit dem Kreuz in der Hand, obwohl unsere ganze Gruppe die Hände als Zeichen der Gewaltfreiheit nach oben hielt, umgerannt worden und bin zu Boden gegangen“, beklagte etwa Anselm Meyer-Arntz von der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ im katholischen Kölner Internetportal domradio.de: „Ein Polizist hat versucht, mir das Kreuz zu entreißen, und es war nur der mutigen, gewaltfreien Intervention anderer Aktivisten zu verdanken, dass diese Situation nicht völlig eskaliert ist.“

Ebenfalls bei domradio.de berichtete die katholische Theologin Gudula Frieling davon, dass sie vor Ort gesungen, gebetet und Texte von Papst Franziskus vorgelesen habe, bevor sie von der Polizei weggetragen worden sei: „Wir müssen uns dieser strukturellen Gewalt, zu der auch die fossile Energiegewinnung gehört, entgegenstellen.“ Die Klimakatastrophe sei schon jetzt zu weit fortgeschritten. Deswegen greifen man auch jenseits von Gebet und Gottesdienst zu Mitteln des zivilen Ungehorsams und Widerstands.

Initiativen wie „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ und „Christians for Future“ hatten immer wieder zu Gottesdiensten an der Abbruchkante eingeladen. Am Wochenende solidarisierten sich auch etliche Theologinnen und Theologen aus dem deutschsprachigen Raum in einem auf der Internetplattform y-nachten.de veröffentlichten Brief mit den Demonstrierenden.

Sie forderten ein Moratorium für die Räumung des Dorfes. „Dabei sind wir ganz besonders von dem prophetischen Handeln der Menschen der Initiative „Kirche(n) im Dorf lassen“ inspiriert, die ein Vorbild für uns alle sein sollten.“ Zu den rund 35 Erstunterzeichnern gehören mehrere Professorinnen und Professoren sowie der Jesuit Jörg Alt.

Das von Klimaaktivisten besetzte Dorf, das zum Bistum Aachen gehört, liegt direkt an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus Garzweiler und soll diesem weichen. Der Energiekonzern RWE und die NRW-Landesregierung hatten sich darauf geeinigt, die Braunkohleverstromung 2030 und nicht erst 2038 zu beenden. Zudem sollen fünf andere Dörfer im rheinischen Revier erhalten bleiben und nur Lützerath den Kohlebaggern weichen.

Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche und des katholischen Hilfswerks Misereor hatten schon in der Woche ein Moratorium für die Räumung gefordert. Der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, forderte die Kirchen zu einem entschiedeneren Einsatz für den Klimaschutz auf.

Die katholischen Bischöfe hatten angesichts der Räumung den Wert der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit hervorgehoben, zugleich aber die Achtung von Rechtsstaatlichkeit sowie Gewaltfreiheit gefordert. „Friedliche Proteste sind zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie“, sagte der katholische Aachener Bischof Helmut Dieser: „Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden.“

Ähnlich äußerten sich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Latzel mahnte, es dürfe „keine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt werden, die dazu führt, dass Menschen verletzt oder gar getötet werden“. Der Kompromiss zur Zukunft des rheinischen Reviers sei „schmerzlich errungen“ worden. Kurschus erklärte: „Unsere Gesellschaft braucht am Beginn des Jahres 2023 keine Kraftakte, keine neuen Konfrontationen und Kampfszenen.“

Von Gottfried Bohl

KNA