„Die Nachfrage nach psychologischer Beratung steigt“
Alexishafen ‐ Sr. Monika Steinberger lebt und arbeitet in Papua-Neuguinea. In ihrem Rundbrief erzählt sie von ihrer herausfordernden Arbeit als Beraterin und erklärt, warum die Freude so groß war, als Ende Juni ein neues Röntgengerät und ein Operationssaal in Alexishafen eingeweiht wurden.
Aktualisiert: 15.09.2022
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Ein persönlicher Bericht von Sr. Monika Steinberger
Glückliche Gesichter, wo man hinsieht: Erzbischof Anton Bal und Professor Br. Jerzy Kuzma SVD, Leiter der Medizinischen Fakultät der Divine Word University, und die Repräsentanten der Pfarrei St. Martin, Alexishafen danken für die großzügigen Spenden, die diese Erweiterung möglich gemacht haben. Der Ausbau des Gesundheitsposten zum Krankenhaus mit Operationssaal und Röntgenabteilung ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des ländlichen Gesundheitssystems, denn das Einzugsgebiet umfasst mehr als 50.000 Menschen, die sonst schwer Zugang zu medizinischer Versorgung mit dieser Qualität haben.
Darüber hinaus bekommen Medizinstudent*innen der Divine Word University einen Ausbildungsort. Unter der Anleitung unserer Professor*innen machen sie ihr Praktikum in Alexishafen und lernen so vor Ort mit den Herausforderungen der ländlichen Infrastruktur umzugehen. Die Patient*innen profitieren von diesem Ausbildungssystem, weil sie die Gelegenheit bekommen von fachlich ausgebildeten Ärzt*innen behandelt zu werden. Im März 2022 hat der zweite Jahrgang das Medizinstudium abgeschlossen und wir sind alle stolz auf diese Student*innen, denn Papua-Neuguinea braucht dringend Ärzt*innen – vor allem im ländlichen Bereich!
Die neue Röntgenabteilung hilft vor allem auch bei der Diagnose von Tuberkulosefällen. Letzte Woche ist Samantha, eine meiner Studentinnen, 20 Jahre alt, an TB verstorben. Ihr Vater und ihre drei Geschwister sind einige Wochen vor ihr verstorben und so ist ihre Mutter die einzige Überlebende. Samantha’s Familienschicksal ist leider keine Ausnahme in PNG und gibt einen Einblick in das marode medizinische Versorgungssystem. Die Röntgenabteilung des Krankenhauses in Madang Stadt ist schon seit Dezember 2021 geschlossen und so ist das neue Röntgengerät in Alexishafen das einzige derzeit funktionierende Röntgengerät im Bundesstaat Madang!
In Alexishafen gibt es weitere Veränderungen: Das Provinzhaus unserer Kongregation wird renoviert. Der Boden der Kapelle hat sich abgesenkt, das Dach wurde undicht, Wasserleitungen sind verrostet und die Wände, die Asbest haben, müssen entfernt werden. Die erste Renovierungsphase ist abgeschlossen und die neue Kapelle und die Zimmer für die älteren und kranken Mitschwestern wurden eingeweiht. Jetzt ist das Haupthaus an der Reihe!
Mein eigenes Aufgabengebiet – Beratung mit Lehrauftrag – erfüllt mich nach wie vor. Ich bringe den Menschen Gott durch Heilung nahe und das ist eine wunderschöne Missionsaufgabe. Inzwischen hat es sich unter den Student*innen und Angestellten herumgesprochen, dass Beratung hilft und gut tut, wenn es einem psychisch nicht gut geht, man emotional unter Druck steht, eine Entscheidung treffen muss, mit Familien- oder Beziehungsproblemen kämpft, nicht schlafen kann, sich vor Prüfungen fürchtet, oder seine professionelle Zukunft planen möchte usw. und so habe ich sehr viele Klient*innen.
Zusammen mit meiner Kollegin biete ich aber auch Gruppen und psychologische-erzieherische Workshops an, die von den Student*innen sehr gerne wahrgenommen werden. Darüber hinaus unterrichte ich auch eine Einheit pro Semester. So sind meine Tage gefüllt und ganz ehrlich – Langeweile kenne ich nicht! Mitunter ist die Arbeit aber auch emotional (und physisch) anstrengend, denn psychiatrische Patient*innen haben es in Papua-Neuguinea schwer, adäquate medizinische Versorgung zu bekommen.
Derzeit haben wir sieben Psychiater*innen im Lande und ein psychiatrisches Krankenhaus mit 60 Betten. Die fehlenden medizinischen Dienste im psychiatrischen Dienst erschweren meine Arbeit an der Uni. Die meisten meiner Klient*innen brauchen zwar keine medikamentöse Behandlung und ich kann ihnen im Rahmen meiner Ausbildung helfen. Es gibt aber auch immer wieder Patient*innen, die akut psychotisch oder selbstmordgefährdet sind und dringend medikamentös behandelt werden müssten und einen Aufenthalt in einer geschlossenen Abteilung benötigen würden, um sicherzustellen, dass sie sich selbst oder andere nicht gefährden. Die Betreuung dieser Patient*innen bringt mich immer wieder an meine Grenzen. Das Krankenhaus in Madang weigert sich solche Patienten stationär aufzunehmen, die Auswahl an Medikamenten beschränkt sich auf vier Produkte, und die freiwilligen oder bezahlten Betreuer*innen unterschätzen häufig die Lage oder langweilen sich und lassen die Patient*innen alleine. Ich schaffe es in solchen Wochen nur mit einem enormen Gottvertrauen über Nacht die Augen zu Schließen und zu beten dass die Patient*innen Überleben bis die Angehörigen irgendwann anreisen und sie mitnehmen. Zum Glück sind das aber die Ausnahmefälle!
Alles in allem macht mir meine Arbeit an der Uni wie gesagt sehr viel Freude. Die Nachfrage an Beratungen und die geschilderten Extremfälle zeigen, dass wir dringend mehr ausgebildete Berater*innen und Psychiater*innen brauchen. Beratungseinheiten sind schon jetzt ein Bestandteil unseres Ausbildungsprogrammes für BA in Sozialarbeit und ich träume zusammen mit anderen vielleicht in der Zukunft als Aufbaustudium MA in Beratung anzubieten. Bis jetzt ist es ein Traum oder eine Vision, aber der Bedarf an Beratung ist enorm und es können sich nur wenige leisten, im Ausland zu studieren.
Da ich meinen Traum zusammen mit der Provinzleitung unserer Ordensgemeinschaft träume, hat mich mein Orden ermutigt, in 2023 das Doktoratsstudium zu beginnen. So heißt es für mich Ende des Jahres wieder einmal zu packen, aufzubrechen, und neu zu starten. Es wird eine Herausforderung und ich blicke diesem Neustart im Moment mit gemischten Gefühlen entgegen, aber ich vertraue darauf, dass Gott mir den Weg aufzeigt und mir die nötige Kraft gibt, um durchzuhalten. Bitte begleitet meinen Neustart mit eurem Gebet!
Über die Autorin
Sr. Monika Steinberger aus Neufahrn, Erzdiözese München und Freising, ist als Steyler Missionsschwester seit zehn Jahren in Madang, Papua-Neuguinea, wo sie sich im Bereich der psychologischen Beratung der Studentinnen und Studenten an der Divine Word Universität betätigt. Hier schildert sie persönliche Eindrücke aus ihrer Arbeit.