Entwicklungspolitik in der deutschen Ratspräsidentschaft
Europa ‐ Die deutsche Ratspräsidentschaft steht im Schatten der Covid-19-Pandemie. Diese hat vieles umgeworfen, aber verdeutlicht zugleich, wie wichtig die Zusammenarbeit aller Länder ist - vor allem mit den armen Weltnationen.
Aktualisiert: 17.06.2020
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Die deutsche Ratspräsidentschaft steht im Schatten der Covid-19-Pandemie. Diese hat vieles umgeworfen, aber verdeutlicht zugleich, wie wichtig die Zusammenarbeit aller Länder ist - vor allem mit den armen Weltnationen.
An die deutsche EU-Ratspräsidentschaft werden hohe Erwartungen geknüpft. An erster Stelle, das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klar formuliert, steht der Kampf gegen die Covid-19-Pandemie. Hierbei geht es nicht nur um Gesundheitsfragen, sondern auch um gesellschaftliche und soziale Folgen der Krise. Mit den beiden Nachfolgern auf dem Präsidentschaftssitz, Portugal und Slowenien, soll Europa „stärker, gerechter und nachhaltiger“ gemacht werden.
An dieser Stelle mischen sich Entwicklungsorganisationen und Hilfswerke ein. Auch sie erhoffen sich von der Bundesregierung während den sechs Monaten Präsidentschaft Projekte und Entscheidungen in ihrem Sinne. Doch Covid-19 hat vieles umgeworfen. Der geplante Fokus auf Afrika mit Blick auf den EU-Afrika-Gipfel im Oktober scheint in den Hintergrund gerückt, die eigenen nationalen Sorgen überschatten den Weitblick.
Die Vorbereitungen auf die Ratspräsidentschaft laufen anders als früher, monatelange Abstimmungsverfahren wurden von der Krise ausgebremst. Natürlich überlagere die Covid-19-Pandemie die Präsidentschaft, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nach dem letzten Treffen der EU-Entwicklungsminister. „In der Prioritätenliste ist es das Thema Nummer eins.“ Aber wenn das Problem nicht gemeinsam gelöst werde, seien alle anderen Probleme nachrangig. Menschen verhungerten, andere Krankheiten würden unzureichend bekämpft und Unsummen an Kapital abgezogen. „Afrika, aber auch Lateinamerika werden um Jahre, vielleicht Jahrzehnte zurückgeworfen.“
In dem Entwurf des ersten Triopapiers bekennen sich die drei Länder wie zu erwarten zur Agenda 2030 und den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen zu Hunger, Armut oder Kindersterblichkeit. Die Agenda solle bei allen externen und internen politischen Maßnahmen der EU „mit angemessener Detailliertheit“ integriert werden. Herausgehoben wird der internationale Handel, der fair und nachhaltig sein soll.
Zugleich heißt es in dem Entwurf weiter, dass sich die EU in Afrika für Frieden und Sicherheit, Wachstum und Entwicklung einsetzen will. In Klima-, Migrations- und Mobilitätsfragen sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden. Darüber hinaus wollen die drei Länder Afrika im Kampf gegen Covid-19 unterstützen, die Gesundheitssysteme stärken und „größte Solidarität“ zeigen. Konkreteres ist in dem 23 Seiten langen Papier nicht zu finden.
Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in globalen Lieferketten
Für Entwicklungsorganisationen muss Afrika über die Covid-19-Pandemie hinaus eine entscheidende Rolle während der deutschen Ratspräsidentschaft spielen. Dabei geht es aus Sicht des Dachverbandes Venro vor allem um die Qualität der Beziehung zu Afrika. Afrika werde weiter instrumentalisiert und brauche eine deutlich bessere Verhandlungsposition in Gesprächen mit der EU.
Misereor erwartet neben einem Einsatz für den Klimaschutz, dass die Bundesregierung sich für eine EU-Gesetzgebung zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in globalen Lieferketten einsetzt. „Die Pandemie wird die bestehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ungleichheiten verschärfen, sowohl innerhalb der Länder als auch zwischen ihnen“, mahnte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.
Auch aus Sicht von Entwicklungsminister Müller braucht es eine neue Partnerschaft mit Afrika, bei Sicherheitsfragen, in der Migration, bei Energie und Technologie und beim Handel. Letzteres sei ihm besonders wichtig, so Müller. „Wenn wir ehrlich sind, nutzen wir Afrika zur Ausbeutung von Ressourcen und Menschen.“ Das geforderte Lieferkettengesetz hat Müller bereits im Bundestag versprochen.
Müller will zudem im EU-Finanzplan für die kommenden sieben Jahre die Mittel für Afrika von 42 nicht nur auf etwa 50, sondern auf 80 Milliarden Euro erhöhen. „Wir können nicht mit Almosen reagieren“, so Müller. Doch für seine Forderungen findet er unter den EU-Entwicklungsministern oft nicht viele Mitstreiter. Klar ist: Durch den Brexit fällt ein guter Geldgeber für Entwicklungszusammenarbeit in der EU weg. Diese Lücke zu füllen, wird eine Herausforderung.
In den Ohren der Entwicklungsorganisationen klingen Müllers Worte wie Musik. Sie sind mit der Rhetorik des Ministers seit geraumer Zeit zufrieden – sie stimme. Entscheidend bleibt die Umsetzung und hier hapert es noch.
Von Anna Mertens (KNA)
© Text: KNA