Heimatgefühle in einer fremden Großstadt

Heimatgefühle in einer fremden Großstadt

Freiwilligendienste ‐ Klara Gaßner war als Freiwillige des Praktikanten-Programms des Bonifatiuswerkes für zehn Monate in einem norwegischen Dominikanerinnen-Kloster. Das Kloster habe sie dabei als einen Ort des Aufeinandertreffens kennengelernt, berichtet die Heidelbergerin.

Erstellt: 07.09.2020
Aktualisiert: 27.08.2020
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Es ist 7.30 Uhr am Morgen, und in der Gjørstadsgate 9 scheint die Zeit stillzustehen. Es ist völlig ruhig, niemand eilt zur Arbeit, kippt einen Kaffee hinunter, sucht seine Schlüssel. Über dem Kloster St. Katarinahjemmet direkt neben der großen Einkaufsstraße inmitten der Innenstadt von Oslo liegt eine Ruhe, die fast fehl am Platz wirkt. Das liegt an den Dominikaner-Schwestern, die in diesen Minuten zum ersten Gebet des Tages zusammenkommen. Täglich beginnen sie ihren Tag mit Lobgesang und Stundengebet. Erst beim anschließenden Frühstück machen sich auch die anderen Bewohner des Hauses bemerkbar. Circa 20 Studentinnenn und zehn Dominikanerinnen leben hier zusammen, meistens sind auch einige der Gästezimmer vermietet.

Eine der Bewohnerinnen ist Klara Gaßner (20) aus Heidelberg, die als Freiwillige des Praktikanten-Programms des Bonifatiuswerkes für zehn Monate nach Norwegen gereist ist. „Ich habe großes Interesse daran, mich in einer norwegischen Gemeinde einzubringen, eine neue Kultur kennenzulernen und neue Menschen zu treffen“, so beschreibt die Abiturientin ihre Motivation, ein fremdes Land und eine von vielen Nationen geprägte Diaspora-Kirche kennenzulernen.

Das Kloster Katarinahjemmet in Oslo gibt es seit dem Jahr 1928, davor lebten die Schwestern in Chatillon in Frankreich. Ihre Mission: das katholische Milieu in Oslo stärken und Menschen in Not helfen. „Ich durfte hier unglaublich viele prägende Erfahrungen machen, von Begegnungen bis hin zu kleinen Momenten und Gesprächen im Alltag, die ich immer im Herzen tragen werde“, sagt Gaßner. Das Kloster habe sie als einen Ort des Aufeinandertreffens kennengelernt: vom sicheren Schlafplatz im kalten Winter bis hin zu aufbauenden Seelsorgegesprächen.

„Die Gemeinde hier hat uns gebraucht und tut es immer noch“ sagt die Dominikanerin Schwester Ane-Elisabeth. Doch auch andersherum besteht Bedarf: „Die katholische Kirche braucht ihre Mitglieder jetzt mehr denn je. Christen müssen sichtbar sein in der Politik, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft. Und was noch wichtiger ist: Wir müssen uns in der Nächstenliebe üben“, sagt Schwester Mette. Sichtbar zu sein und den eigenen Glauben nach außen zu tragen, sei für alle Christen eine wichtige Aufgabe.

Bild: © Klara Gassner/Bonifatiuswerk

Nach dem Frühstück beginnt der Alltag. Die Studentinnen brechen zur Universität auf, die Schwestern beginnen mit ihren Aufgaben und die fest angestellten Mitarbeiter kümmern sich ums Reinigen der Gästezimmer und übernehmen anstehende Lebensmittellieferungen. Dabei unterstützt wurden sie von Klara Gaßner, die sich in der Klosterküche und in der katholischen Schule „St. Sunniva“ im Zentrum von Oslo engagierte. Wie der Glaube in der Diaspora-Kirche Norwegens gelebt wird, konnte Gaßner in der Gemeinde St. Johannes konkret erfahren. Dort half sie beim sonntäglichen Kirchenkaffee im Anschluss an den Gottesdienst. Dabei zeige sich besonders ein beeindruckendes Gemeinschaftsgefühl zwischen Filipinos, Vietnamesen, Polen, Tamilen aus Sri Lanka und einigen Norwegern, erklärt Gaßner.

Die katholische Kirche in Norwegen ist international und jung. Für viele Einwanderer sei sie sehr wichtig, nicht nur um den Glauben zu stärken, sondern auch um soziale Kontakte zu pflegen und sich geborgen zu fühlen. Auch ihr persönlicher Glaube habe sich in der Zeit in Norwegen weiterentwickelt. „Die Schwestern und andere Menschen, die ich hier getroffen habe, haben mich mit ihrem tiefen Glauben sehr beeindruckt und sind mir zum Vorbild geworden“, sagt die Abiturientin.

Die Schwestern sind unterschiedlich tätig. Manche arbeiten in sozialen Einrichtungen der Kirche, führen Seelsorgegespräche oder kümmern sich um die organisatorischen Details des Klosterlebens. Das Wichtigste ist: Sie sind immer sichtbar. Viele der Schwestern tragen fast immer ihr Ordensgewand und bekommen deshalb häufig sogar irritierte Blicke zu spüren: „Es ist wichtig, dass wir trotzdem sichtbar bleiben“, erzählt Schwester Ane-Elisabeth, die im Haus für die Freiwilligen und Studenten verantwortlich ist.

Das Prinzip, immer den Nöten der Zeit zu folgen, ist im Dominikaner-Orden fest verankert. Das dominikanische Charisma lautet: „Bete und betrachte und gib das Geschaute an andere weiter.“ Daher ist auch Bildung ein hohes Gut bei den Dominikanern. Das merkt man, sobald man einen Fuß in das Katarinahjemmet setzt: Die Flure sind gefüllt mit Bücherregalen, und die drei Bibliotheken im Haus beherbergen Bücher zu unterschiedlichsten Themen aus aller Welt.

Gegen Abend kehrt dann wieder die morgendliche Ruhe im Kloster ein. Alle Schwestern versammeln sich zum Abendgebet. Anschließend versammeln sich alle zum Abendessen. Wieder legt sich eine besondere Stimmung über das Haus. Wieder geht ein Tag im Katarinahjemmet zu Ende, ein gewöhnlicher Tag an einem so ungewöhnlichen Ort mitten in Oslo.

Das Praktikantenprogramm des Bonifatiuswerkes

Mit dem „Praktikum im Norden“ gibt das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken seit einigen Jahren jungen Christen aus Deutschland die Möglichkeit, die katholische Diaspora-Kirche in Nordeuropa kennenzulernen und zu unterstützen. Das Programm wird unter anderem von der Projektkoordinatorin am Newman-Institut in Uppsala begleitet und verantwortet. Das Praktikantenprogramm des Bonifatiuswerkes kann auf mittlerweile mehr als 100 ehemalige Praktikanten zurückblicken - jährlich machen sich im Schnitt 20 Praktikanten auf den Weg. Das Praktikantenprogramm ist ein Kooperationsprogramm zwischen dem Bonifatiuswerk und dem Newman Institut im schwedischen Uppsala. Finanzielle Unterstützung erhält es vom Erzbistum Paderborn. „Wir sind dankbar, dass viele unserer Praktikanten in dieser herausfordernden Zeit sich für ihren Einsatz in den jeweiligen Einrichtungen in Nordeuropa und dem Baltikum entschieden haben. Alle Praktikanten haben zu Anfang der Corona-Pandemie vom Bonifatiuswerk die Möglichkeit bekommen, ihr Praktikum frühzeitig zu beenden. Dieses Engagement von den jungen Menschen nun zu sehen, freut uns umso mehr und zeigt, wie gelebte Solidarität über den Tellerrand hinaus aussehen kann. Ebenso dankbar sind wir für die Begleitung der Praktikanten vor Ort“, sagt der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen.

Von Klara Gaßner und Patrick Kleibold

© Text: Bonifatiuswerk